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Gerbrand Bakker: Der Sohn des Friseurs Waschen, Schneiden, Föhnen – und der verlorene Vater

Simon führt in dritter Generation einen Friseursalon. Und hat mit einer existentiellen Leerstelle zu kämpfen. „Zeit für einen holländischen Roman über einen Friseur“, sagt Gerbrand Bakker. Dazu eine Lesung mit Patrick Güldenberg.

Stand: 11.07.2024

Gerbrand Bakker: Der Sohn des Friseurs: Waschen, Schneiden, Föhnen - und der verlorene Vater

"Vermutlich, denkt er manchmal, wäre er nicht hier, wenn sein Vater noch leben würde. Der saß am 27. März 1977 im falschen Flugzeug. Einem falschen Flugzeug, das auf einer falschen Insel verunglückte. So wie Henny war er urplötzlich in Urlaub geflogen. Allein. Das glaubt jedenfalls Simons Mutter. Simon war noch nicht geboren, möglicherweise wusste sein Vater nicht einmal, dass er geboren werden würde. Simon kam am 4. September 1977 zur Welt, und spätestens nach dem Tod seines Vaters war es ihm vorbestimmt, Friseur zu werden. Ihm ist es recht"

(Gerbrand Bakker, Der Sohn des Friseurs)

Im Mittelpunkt der Friseursalon

„Chez Jean“ heißt der Salon, in dem Simon seine Kunden empfängt – und der zur Bühne wird in Gerbrand Bakkers Roman „Der Sohn des Friseurs“. Das Interieur ist noch das gleiche wie in den 70er Jahren, als Simons Großvater Jan das Geschäft führte: die Frisierstühle ledergepolstert und mit verchromten Armlehnen, an den Wänden alte Reklameschilder. Vintage, Kult. Simon bedient am liebsten Herren, schneidet die Haare, rasiert oder trimmt die Bärte. Er trinkt gerne Espresso. Und er ist leidenschaftlicher Schwimmer, an den Wänden im Schlafzimmer hängen Poster von Mark Spitz und Alexander Popow.

Der unbekannte Vater

Simons Leben steht im Zeichen einer existentiellen Leerstelle. Er hat seinen Vater – auch dieser eben Sohn des Friseurs – nie kennengelernt. Cornelis verließ seine Frau, als er erfuhr, sie ist schwanger. Er buchte sich einen Flug. Die Maschine, in der er saß, wurde nach einem Zwischenstopp auf Teneriffa in eines der bis heute schwersten Unglücke in der zivilen Luftfahrt verwickelt. Am 27. März 1977 kollidierte die Boing 747 der KLM beim Start mit einer Boing der amerikanischen Fluggesellschaft Pan-Am. Fast 600 Menschen kamen dabei ums Leben. Darunter auch, so glaubt Simon, sein Vater.

Das Leben von Männern aus drei Generationen

Gerbrand Bakker, 1962 in Wieringerwaard geboren und einer der bekanntesten Schriftsteller in den Niederlanden, erzählt in seinem Roman auch von dieser Katastrophe. Vor allem aber schildert er das Leben von Männern aus drei unterschiedlichen Generationen, berichtet von ihren Lebensentwürfen und ihren unerfüllten Sehnsüchten. „Ich schreibe gerne über Handwerker“, sagt Gerbrand Bakker im Interview. „Und was auch sehr lecker ist: dieser Friseur hat einen Salon – und damit Kunden. Mit den Kunden wiederum hat man Romanpersonal.“ Eine Institution des Alltags wird zum Schauplatz eines vielschichtigen Romans.

Lesung und Gespräch im Podcast

Gerbrand Bakkers Roman „Der Sohn des Friseurs“ ist – in der Übersetzung von Andreas Ecke – bei Suhrkamp erschienen. Der Schauspieler Patrick Güldenberg liest – in der Regie von Irene Schuck – aus der Geschichte einer gebrochenen Familie. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages sind Lesung und Gespräch zu finden im „Bayern 2 Podcast Buchgefühl – reden und lesen“.


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