Rechtliche Fragen zum Coronavirus Arbeitsrechtlerin: "Arbeitgeber haben Fürsorgepflicht"
Das Coronavirus und die Schutzmaßnahmen betreffen inzwischen den Alltag vieler Menschen. Wenn die Kinder nicht mehr in die Schule dürfen, wenn der Chef einen vorsorglich in Quarantäne schickt – da stellen sich auch arbeitsrechtliche Fragen. Dr. Kathrin Bürger ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in München. Sie rechnet in den meisten Fällen mit einvernehmlichen Lösungen zwischen Angestellten und Arbeitgebern.
Diverse Schulen und Kitas in Bayern sind ja geschlossen. Was heißt das jetzt für berufstätige Eltern, dürfen die zur Betreuung einfach zuhause bleiben?
Ja, Eltern dürfen zuhause bleiben und ihr Kind betreuen, wenn keine andere Betreuungsmöglichkeit besteht. Das Gesetz gibt darauf einen Anspruch, der allerdings zeitlich befristet ist auf maximal fünf Tage, eher weniger. Der Anspruch darf nicht vertraglich oder durch Betriebsvereinbarungen oder Tarifvertrag ausgeschlossen sein. Das gilt auch, wenn das Kind nicht krank ist, sondern einfach nicht in die Schule darf. Grundsätzlich ist es natürlich so, dass es in solchen Fällen vorzuziehen ist, gerade aufgrund der zeitlichen Komponente, dass man mit dem Arbeitgeber eine Regelung finden sollte, wie zum Beispiel Homeoffice oder Überstunden abbauen kann. In jedem Fall muss ich den Arbeitgeber vorher informieren und kann nicht einfach zuhause bleiben.
Nun sind ein paar Tage erst mal schön, aber möglicherweise dauert eine Unterrichtssperre ja ein paar Tage oder gar Wochen. Was macht man dann?
Wenn Kinder krank sind, oder nicht zur Schule dürfen, ist für viele Arbeitnehmer*innen Homeoffice eine Alternative.
In dem Fall ist es natürlich gut, wenn man eine einvernehmliche Lösung erzielen kann, also Homeoffice möglich ist oder ich Guthabenstunden abbauen kann. Im Zweifelsfall kann ich natürlich auch noch meinen eigenen Urlaub nehmen. Oder wenn auch das nicht mehr ausreicht, dann würde eine unbezahlte Freistellung in Frage kommen. Also muss man auf den Einzelfall schauen, wie lange das dauert und das dann möglichst mit seinem Chef seiner Chefin klären, damit man nicht in Schwierigkeiten gerät.
"Natürlich hat der Arbeitgeber, egal ob er privat oder öffentlich organisiert ist, eine Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmern und muss sämtliche Maßnahmen ergreifen, die Arbeitnehmer vor potenziellen Gefahren zu schützen."
Dr. Kathrin Bürger, Arbeitsrechtlerin
Wie ist es, wenn ich jetzt noch freiwillig in einen Risikogebiet fahre? Kann mein Arbeitgeber mich dann zwingen, nach der Rückkehr erst mal vorsorglich 14 Tage zuhause zu bleiben?
Ja, das kann der Arbeitgeber tatsächlich tun. Die Frage ist, ob ich auch dann im Homeoffice arbeiten kann oder nicht. Das hängt wiederum ab von der Tätigkeit, die ich erbringe. Generell ist das natürlich eine gute Möglichkeit und der Arbeitgeber müsste mich für diese zwei Wochen weiterbezahlen.
Wie schnell kann eine Firma eine Kündigung aussprechen gegenüber Leuten, die sie jetzt vielleicht nicht mehr bezahlen möchte oder kann?
Bei BMW kam es zu Corona-Fällen, weswegen das Unternehmen einen Teil der Angestellten ins Homeoffice geschickt hat.
Wenn ich ihm Kleinbetrieb bin, das heißt unter zehn Arbeitnehmern, dann darf die Kündigung nicht treuwidrig sein. Wenn keine Arbeit mehr da ist, hätte ich ja tatsächlich einen Grund, der auch nicht treuwidrig oder willkürlich wäre. In größeren Unternehmen, wie zum beispiel BMW, findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Da bräuchte ich dringende betriebliche Gründe, die einer Weiterbeschäftigung im Wege stehen und müsste ermitteln, ob die Sozialauswahl auch ergibt, welchen Arbeitnehmer ich dann kündigen kann. Bei Selbstständigen ist es so, dass sie das Risiko tragen, dass jederzeit Aufträge wegbrechen können oder der Auftraggeber möglicherweise keine neuen Aufträge mehr erteilt. Nichtsdestotrotz stehen staatliche Maßnahmen zur Verfügung, die auch in Anspruch genommen werden können.
"Es obliegt dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers, dass er dafür zu sorgen hat, dass ausreichend Arbeit zur Verfügung steht. Wenn Arbeitgeber einseitig anordnen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, muss er ihn gleichwohl weiterbezahlen."
Dr, Kathrin Bürger, Arbeitsrechtlerin
Wie ist es umgekehrt mit Leuten, die in Berufen arbeiten, die man gerade ganz besonders dringend braucht, also Ärztinnen und Ärzte zum Beispiel, überhaupt medizinisches Personal, Polizei, manche Beamte in Behörden usw. kann man da Urlaubssperren verhängen in Zeiten wie diesen und sagen, wir brauchen euch jetzt, ihr müsst arbeiten?
Ja, das geht. Die Berufe der Daseinsvorsorge gehen inhaltlich mit anderen Rechten und Pflichten einher. Das bedeutet zum einen, dass der Arbeitnehmer angewiesen werden kann, die Tätigkeit auszuüben und damit zum Beispiel auch eine Dienstreise in ein Risikogebiet vorzunehmen. Natürlich hat der Arbeitgeber, egal ob er privat oder öffentlich organisiert ist, eine Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmern und muss sämtliche Maßnahmen ergreifen, die Arbeitnehmer vor potenziellen Gefahren zu schützen.