Bayern genießen Gesund - Bayern genießen im Januar
Statt 'Prosit', also 'Wohl bekomms' könnt man auch 'Salve Neujahr!' sagen. 'Salve' heißt ja im Prinzip nix anderes als 'halt dich gesund'; genauso wie das lateinische 'vale!' zum Abschied, 'bleib gesund' heißt. Wir bieten Ihnen jedenfalls eine ganze Reihe gesunde Themen!
Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Gesund"
Oberbayern: Gesund gekocht. Gute Ernährung im Mittelalter. Von Andreas Pehl
Niederbayern: Glück ist Gesundheit. Deutschlands glücklichste Menschen leben in Niederbayern. Von Birgit Fürst
Oberfranken: Gesunde Spezialität. Gstopfta Rumm aus dem oberfränkischen Wallenfels. Von Anja Bischof
Mittelfranken: Gesundkuchen. Der mittelfränkische Schatt. Von Tobias Föhrenbach
Unterfranken: Gesund gelebt. Das Juliusspital in Würzburg. Von Leon Willner
Schwaben: Gesunder Glaube. Gesundbeter im Allgäu. Von Doris Bimmer
Das Buoch von gueter Spise
Gesund - wir wissen, was wir drunter verstehen: Die Abwesenheit von Verletzung oder Erkrankung. Eigentlich. Aber irgendwie ist gesund noch weit mehr, etwas was wir nicht so leicht definieren können. Und da ist es halt allerweil wieder interessant, zu schauen, was unsere Wörter eigentlich bedeuten. Gesund geht auf eine uralte indoeuropäische Wortwurzel sghu-, sghe-, sghi- zurück und hängt so - leuchtet, wenn mans weiß eigentlich sofort ein - mit geschwind zusammen. Jeder weiß, dass er sich eigentlich nicht rühren mag, wenn er krank oder verletzt ist. Zumindest ist die Beweglichkeit meistens heftig eingeschränkt. Die gemeinsame Ausgangsbedeutung der Wörter gesund und geschwind ist mächtig. Gesund ist man bekanntlich, wenn man im Vollbesitz seiner Kräfte ist, der körperlichen genauso wie der geistigen. Und es schadet nix, seinen gesunden Menschenverstand einzuschalten, um auch körperlich gesund zu bleiben. Wir wissen heute großenteils, was dem Körper schadet, und was ihm nützt. Wir wissen zum Beispiel, dass körperlich mächtige Menschen nicht immer auch mächtig gesund sind. Im Mittelalter aber hat diese Analogie oft gegolten. Nahrung war nicht selten knapp. Dicke Leute waren von Haus aus resistenter. Wer so viel wie möglich in sich hineinstopfen und schütten konnte, der galt als reich und mächtig und damit gesund. Viel und grotesk überwürzt zu essen gehörte oft zur Repräsentation an den Fürstenhöfen. Im Spätmittelalter allerdings begann auch eine Gegenbewegung. Zuerst kamen die Bürger drauf: Weniger und vor allem feiner ist mehr.
"Mach … eine kleine Köstlichkeit aus einem Stichlingsmagen, Mückenfüßen, Finkenzungen, Meisenbeinen und Froschkehlen. So magst du lang und ohne Sorgen leben."
... heißt es, wenn auch nicht ganz ernst, im Buoch von guoter Spise, dem allerersten Kochbuch in deutscher Sprache. Entstanden ist es um 1350 in Würzburg. Erhalten hat es sich in der Bayerischen Staatsbibliothek. Wenn es Sie interessiert. Sie können sich das originale Kochbuch aus dem Jahr 1350 jederzeit anschauen - als hochauflösendes Digitalisat auf Bavarikon, der großartigen Sammlung bayerischer Wissens- und Kulturschätze. Das richtige für lange Winterabende. Die Übertragung in heutige Buchstaben hier.
Gstopfta Rumm aus Wallenfels
In früheren Zeiten, als man noch nicht so genau über die feinstofflichen Voraussetzungen der grundlegenden Körperfunktionen Bescheid gewusst hat wie heut, da war man bei der Frage nach dem, was der Gesundheit nützt, eher auf Mutmaßungen angewiesen, bzw. auf altes Herkommen. Fasten zum Beispiel hat man müssen, weils religiös vorgeschrieben war. Religiös vorgeschrieben war es aber einzig und allein aus dem Grund weil jahrtausendelange Erfahrung gewusst hat, dass Fastentage und Fastenzeiten der Gesundheit nutzen - in der Sprache der damaligen Zeit: Sie sind Gott wohlgefällig. Und wer Gott gefällt, den lässt er lang leben. Große Herren, wie gesagt, befanden sich da aus Repräsentationsgründen in einem Zielkonflikt, einfache Leut hattens da einfacher. In jeder Hinsicht. Muos war die tägliche Speise. Und Muos - das heißt nix anderes als Essen. Muos, das war ein Getreidebrei aus Hirse, Hafer oder Weizen, warm gekocht und gegessen, wie heut noch Risotto oder Polenta. Später aufgewärmt, dazu in der Pfanne gewendet und angebraten. Man konnte Muos aber auch kalt servieren, wie heut noch, ja genau, das Schweizer Müesli. Zu warmem und kaltem Muos gleichermaßen gabs Beilagen - eben Gemüse. Im Sommer frisch und im Winter haltbar gemacht durch Fermentation. Das klassische Sauerkraut kennt man heute noch. Aber sprichwörtlich wird’s erst als Kraut und Rüben. Die einfache Speise einfacher Leute war durchaus sehr schmackhaft und abwechslungsreich. Im oberfränkischen Wallenfels gehören die sogenannten gstopften Ruam zu den geschätzten regionalen Winterspezialitäten. Wie sie gemacht werden, können Sie sich hier anschauen. Und da gibt’s auch ein Rezept zum Nachmachen.
Schatt, der Nürnberger Gesundkuchen
Warum ist gerade Franken so ein herausragendes Spezialitätenland? Städte, in denen bürgerlicher Genuss gepflegt wurde, gibt’s doch in ganz Bayern? Der kleine aber bedeutende Unterschied: Die fränkischen Städte, klein oder groß gleichermaßen, waren oft Reichsstädte. Das heißt, sie waren allein dem Kaiser zins-, also steuerpflichtig. Doch der war weit weg und konnte nicht so leicht in die Bücher schauen. Weswegen die Reichsbürger viel schwarz in die eigene Tasche wirtschaften und sich entsprechend was leisten konnten. Teure Gewürze zum Beispiel, deren Sammelbezeichnung Pfeffer war, weswegen man die städtischen Kaufleute auch Pfeffersäcke genannt hat. Je größer die Stadt, desto ausgeprägter die Handelstradition und damit auch die Lebzelten-/Lebkuchentradition. Nürnberg war da im alten Reich in jeder Hinsicht einsame Spitze. Weswegen die Nürnberger Lebkuchen oder Pfefferkuchen so berühmt waren. Lebkuchen übrigens galten wegen ihrer hochwertigen Inhaltsstoffe nicht als normales Lebensmittel, sondern als gesundheitsfördernde Arznei und wurden deswegen über das ganze Jahr gegessen. Zur allgemeinen Stärkung im Winter natürlich, aber man kannte auch, vom Zimt etwa, seine verdauungsfördernde und kreislaufanregende Wirkung. Von der Gewürznelke wusste man, daß sie schmerzstillend und beruhigend war. Allerdings war ihr Genuß auch zu Fastenzeiten erlaubt, wie etwa im Advent, weswegen Lebkuchen sich im Lauf der Zeit zu einer Winterspezialität entwickelt haben. Andere Kuchenspezialitäten aber gibt es immer noch jederzeit. Und sie gelten immer noch als gesund. Der Nürnberger Schatt zum Beispiel, der mit anderem Namen Gesundheitskuchen heißt. Und das kommt nicht von ungefähr. Bringt nicht das Rotkäppchen seiner armen bettlägerigen Großmutter einen Kuchen? Das könnte glatt der Schatt gewesen sein. Ja, märchenhaft ist er schon irgendwie, der Nürnberger Gesundheitskuchen, auch wenn er eigentlich einfach ist. Aber so ist es halt überall: Das scheinbar Einfache ist oft viel besser als das Komplexe, Komplizierte. Beim Essen sowieso.
Das Würzburger Juliusspital
Was bringt das Rotkäppchen der Großmutter außer dem Kuchen, der vielleicht ein Nürnberger Schatt war? Richtig: einen Wein! Viele Zeitgenossen heutzutag denken dabei zuallererst an Alkohol. Und den gilt es zu vermeiden, weil man im Trinkensfall nicht mehr Herr seiner Sinne ist, nicht arbeitsfähig, nicht berechtigt zum Führen von Kraftfahrzeugen und überhaupt ist Alkohol ungesund. Sprich: Wer Alkohol trinkt ist eigentlich kein Mensch mehr; jedenfalls gesundheitlich gefährdet. Derlei armselige Argumente wären noch vor wenigen Jahrzehnten niemandem eingefallen. Wein, das war zuallererst Nahrungsmittel, dazu überdiemaßen gesund, weil kräftigend. Dass Wein auch zu einem relativ geringen Prozentsatz aus Alkohol besteht, das hat man allenfalls in Kauf genommen; meistens sogar geschätzt, weil er dadurch auch als der psychischen Gesundheit zuträglich galt. Stichwort Sorgenbrecher. Die längsten Jahrhunderte, ja Jahrtausende seiner Existenz hat der Mensch den Alkohol sogar regelrecht gesucht, um in Kontakt zu seinen Göttern zu treten. Heute noch stehen Brot und Wein im Zentrum der christlichen Liturgie. Man könnt auch sagen Brot und Bier oder eben Kuchen und Wein. Einerlei! Wenn der Mensch alt war oder krank dann waren kräftigende Speisen ganz besonders wichtig. Und deswegen waren Wein und Bier auch im Spital bevorzugte Getränke. Lateinisch hospitalis heißt schließlich gastfreundlich. Und das Hospital war ja alles gleichzeitig: Erstens: Pilgerherberge und frühes Hotel, das Wort Hotel ist nur die französische Form von Hospital. Dann auch Krankenhaus, eben Hospital und schließlich Asyl und Altersheim für arme und alte Mitbürger. Und deswegen erzeugen bis heute viele alte Spitalstiftungen Speisen und Getränke, sprich Wein und Bier selbst. Zum Beispiel das 1576 von Fürstbischof Julius Echter in Würzburg gegründete Juliusspital, das heute noch Krankenhaus ist und Altersheim und gleichzeitig das zweitgrößte Weingut Deutschlands. Die Erträge aus Weinbau und Landwirtschaft schmecken nicht nur den Bewohnern, sondern dienen nach wie vor dazu, die medizinischen und sozialen Einrichtungen zu finanzieren.
Gesundbeter im Allgäu
Gesund hängt mit geschwind zusammen, haben wir gesagt, weil beide Wörter auf die uralte Wortwurzel sghu-, sghe-, sghi- zurückgehen, die ursprünglich so viel wie mächtig bedeutet. Aber noch ein anderes deutsches Wort ist auf diese Weise mit gesund verwandt. Der Sieg. Auch das leuchtet ein, wenn wir, sagen wir einmal, eine Auseinandersetzung in der Vor- und Frühgeschichte betrachten: Siegen kann nur, wer in der Schlacht übrigbleibt, unverletzt, also gesund, weil er geschwinder war mit Keule oder Schwert und sich so seines Gegners bemächtigt hat. Auch abseits derlei martialischer Urzusammenhänge verstehen wir Krankheit bis heute als einen Gegner, der besiegt werden muss. Wer Anfang Dezember meine Bayern-genießen-Sendung übers "wünschen" gehört hat, der erinnert sich vielleicht: Noch bis ins 18. Jahrhundert hinein waren die Menschen durch die Bank davon überzeugt, dass Wünsche erfüllt werden, wenn man nur inständig darum bittet. Und weil die Wörter bitten, betteln und beten eigentlich alle das Gleiche bedeuten, ist es selbstverständlich, dass auch das Beten hilft. Und nicht bloß dann, wenn alle Medizin versagt und angeblich nur noch Beten hilft. Nein, wehren Sie nicht zu früh ab, so nach dem Motto Wers glaubt, wird selig. Wir meinen heut allzuoft garnix mehr glauben zu können, zu dürfen und merken gar nicht, wie wissenschaftsgläubig wir geworden sind und dass die Wendung wers glaubt, wird selig einmal durchaus positiv gemeint war. Grad dann, wenns um Gesundheit geht. Denn hie und da gibt es sie noch: Gesundbeter.
Gesundes Glück in Niederbayern
Hauptsache gesund! heißt es oft und nicht unterkriegen lassen! Gesund zu sein, sich von keiner gesundheitlichen Beeinträchtigung unterkriegen zu lassen gilt als die wichtigste Voraussetzung für das Leben und das Lebensglück gleichermaßen. So gesehen müssen die Niederbayern extrem gesund sein und immer obenauf. Weil sie, laut repräsentativer, jährlich erhobener Statistik, die mit Abstand zufriedensten Bayern sind und sogar, nur wenig nach den Münsterländern, zu den glücklichsten Deutschen überhaupt zählen. Woran das liegt? An der Gesundheit jedenfalls nicht. Ganz bestimmt nicht. Sonst wären ja nur die glücklich, die ganz gesund sind. Aber wer ist das schon? Gesundheit ist ein relativer Wert.
Zum Schluss
Nochmal zurück zum Wein, bzw. zu den zehn bis 15 Prozent Alkohol drin: Früher hats sogar geheißen Ein Rausch im Monat ist gesund. Ich will jetzt gar nicht darüber streiten, wieviel genau man trinken muss, um unsterblich zu werden. Dass man aber schon was getrunken haben muss, um sich als ganz normaler Mensch unsterblich zu fühlen, das ist Tatsache. Heutzutage glauben ja viele Leute auch ganz fest ans positive thinking oder dass Homöopathie Wunder wirkt oder Akupunktur oder Superfood.
Früher hat man an den Hubertusschlüssel geglaubt, wenn einen ein tollwütiger Hund gebissen hat oder an den Aderlass. Gut, dafür gibt’s jetzt tatsächlich wieder moderne Argumente. Was ich sagen will: Es ist schon auch interessant, sich mit althergebrachten Gesundheitsweisheiten auseinanderzusetzen.
Exakt dazu gibt’s zwei neue Publikationen, die ganz aktuell erschienen sind. Eine als Buch von Helmut A. Seidl unter dem Titel Obacht geben, länger leben! Vorbeugen und Heilen im alten Bayern, die andere heißt Gsund samma. Wie man in Bayern mit der Gesundheit umging und ist als Magazin des Hauses der Bayerischen Geschichte erschienen.
In diesem Sinn: Ein gesundes neues Jahr, pro sit, wohl bekomms!