Gut für die Natur Der Hortus Romanticus in Mittelfranken
Der Hortus Romanticus in Mittelfranken scheint auf den ersten Blick ein Garten für Faule zu sein. Denn es ist ein Permagarten; einer also, der sich praktisch von alleine pflegt. Auf den zweiten Blick ist es ein Garten, der gut für die Natur ist.
Beim Gang durch ihren Garten merkt man schnell: Karin Brenner ist eine streitbare Frau. Sie kämpft für Natur- und Artenschutz und gegen Verschwendung in jeglicher Form.
"Also das sind alles Balken von abgebrochenen Scheunen. Das Material – diese Fenster, das ist von einer Schule entsorgt worden. Das ist ja alles noch gut, das kann man ja alles noch verwenden. Wieso schmeißen wir Sachen weg, die noch vollwertig sind, die man noch verwenden kann, und kaufen immer wieder Neues? Wir kaufen. Wir arbeiten, wir kaufen, wir arbeiten, wir werfen weg! Und dieser Kreislauf ist ständig, und für unsere Nachkommen ist nicht mehr viel da, wenn wir so weitermachen."
Karin Brenner
Kein Rasenmähen, keine Hecke schneiden, kein Gift spritzen
Wir spazieren durch Karin Brenners Hortus Romanticus, einen Permagarten. Perma, wie permanent, also dauerhaft. Deshalb ist er auch kein Garten im herkömmlichen Sinn, sondern ein dauerhaftes Kultursystem, ein Kreislauf, der sich im besten Falle selbst genügt.
"Ich muss nicht Rasenmähen, ich muss keine Hecke schneiden, ich muss keinen Gartenzaun streichen, ich muss ganz, ganz wenig solche Dinge machen, wie zum Beispiel Gift spritzen und sowas – mit diesen Dingen muss ich mich nicht beschäftigen."
Karin Brenner
Mit Giften kennt sich die gelernte Drogistin aus – und mit den Konsequenzen für Mensch und Natur. Zur Permakultur kam sie durch einen dummen Zufall – beim Bau ihres Hauses hatte man den Humus abtransportiert. Heute sieht sie das als Glücksfall, denn Artenvielfalt kann nur auf mageren Böden entstehen – einer der Hauptpunkte bei der Permakulturlehre. Ein anderer ist das Mulchen, das Abdecken der Böden.
"Logisch, wie bei einem Glas Wasser, wenn Sie das zudecken, verdunstet auch nicht so viel – und so ähnlich ist es auch mit der Permakultur. Die Nährstoffe wandeln sich um und gleichzeitig wird die Bodenoberfläche geschützt."
Karin Brenner
Hier ist es schön. Der Weg mäandert über das rund 1.000 Quadratmeter große Grundstück und immer wieder entdeckt man einen neuen Blickfang. Ein Abfallhäuschen, auf dem es grünt und blüht, ein lauschiger Sitzplatz, Türen aus bunt zusammengewürfeltem Altholz. Nichts ist von der Stange, alles wurde nach und nach gesammelt und liebevoll seiner neuen Bestimmung zugeführt. Ein gewachsener Garten. Ein Garten, der Zeit atmet.
"Sie sehen hier jetzt den Unterschlupf für meine Nützlinge, also vom Igel über die Spitzmaus, der Zaunkönig ist da, Blaumeisen sind da unterwegs, das Rotkehlchen ist da – die können sich da alle verstecken. Ich habe Laubfrösche da, Eidechsen sind da drin – sie finden hier Nahrung und ihren Schutz."
Karin Brenner
Eine Permahecke – als Pufferzone
Wir stehen vor einer Permahecke, einem imposanten Wall aus Erde, locker geschichtetem Ast-und Heckenschnitt, Reisig und Blättern. Er schließt das Grundstück zur Straße hin ab und ist deshalb auch Sicht- und Windschutz für die menschlichen Gartenbewohner. Im Sommer blühen darauf Wildstauden, Blumen und Kräuter.
"Und ich muss nicht düngen, ich muss keine Chemie verwenden. Das erledigt sich von selber. Ich habe meine Nützlinge!"
Karin Brenner
Blühzonen überall im Garten
Das sei die Pufferzone, erklärt Frau Brenner. Daneben brauche es noch Blühzonen, Hotspots, die überall im Garten verteilt sind. Einer davon liegt mitten in der Einfahrt zum Grundstück, um dem Auto demonstrativ nicht mehr so viel Platz einzuräumen
"Und zwar habe ich auf das Pflaster Sandsteine und die habe ich aufgefüllt mit Magersubstrat und das ist vor einem Jahr,eineinhalb Jahren gepflanzt worden und nach zwei,drei Wochen kamen da schon Pflanzen, die ich überhaupt nicht mehr gekannt habe. Also da geht unwahrscheinlich viel selber auf. Und im Sommer blüht es gigantisch und es sind nur Pflanzen drin, die absolute Trockenheit vertragen und insektenfreundlich sind."
Karin Brenner
Dritte Zone: Gemüsegarten
Als wollte sie beweisen, wie insektenfreundlich der Hotspot ist, fliegt eine dicke Hummel zielstrebig in eine Spalte zwischen den Steinen. Karin Brenner lacht und führt mich weiter zur dritten Zone ihres Gartens
"Dann gibt es noch aus diesen Überschüssen aus diesen beiden Zonen den Gemüsegarten, der wird dann eben in Permakultur betrieben, also ich decke alles ab – ich muss ganz, ganz wenig gießen und das verstoffwechsele ich alles selber, also ich muss nicht düngen."
Karin Brenner
Insekten sterben – auch wegen unserer Gärten
Überall summt das Leben und lässt für einen Moment vergessen, dass nicht nur die Bienen, sondern alle Insekten akut bedroht sind. Der Naturschutzbund Deutschland geht davon aus, dass die Population an Fluginsekten zwischen 1989 und 2015 um 75 Prozent zurückgegangen ist. Das liegt an Monokulturen und dem Einsatz von Pestiziden, aber auch an unseren Gärten, vermutet Karin Brenner.
"So in den 60er und 70er Jahren hat man angefangen und gesagt, nein, mein Gemüse, meine Eigenversorgung brauche ich nicht mehr, man sieht, der Arzt hat einen tollen Garten – man hat so ein bisschen den Adel imitiert: Hecke, weitläufig, einen sehr gepflegten englischen Rasen, Rhododendron, englische Rosen! Ja, das war so die Steigerung. Und jetzt kommt es ja noch schlimmer, jetzt kommen diese Drecks-Kiesgärten, was anderes kann ich nicht sagen dazu. Die sind absolut steril, das ist der Tod für die Artenvielfalt. Und damit wird geprotzt und gezeigt: hier, ich habe Geld!"
Karin Brenner
Die Herrin des Hortus Romanticus in Oberdachstetten ist, wie schon gesagt, eine streitbare Frau. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen - kommen immer wieder Besucher in ihren Garten, um gegen einen kleinen Obolus mehr über die artenfreundliche Permakultur zu lernen – auch, wenn Karin Brenner einige Vorstellungen erst mal gegen den Strich bürsten muss und ihr Reich deshalb scherzhaft als Vorhölle für "normale" Gartenbesitzer bezeichnet
"Die gehen immer so verkopft an die Sache ran. Das, was der eine Nachbar macht, das muss ich auch machen, das ist richtig. Aber das stimmt nicht. Man muss viele Dinge hinterfragen und querdenken. Und dann muss man es auch mal machen – und dann ist es gar nicht so schlimm!"
Karin Brenner