Bayern 2

     

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Hauptstadtdämmerung München vor und nach der Wende

Heulen und Zähneklappern herrschte in München, als sich nach der Wende langsam herausstellte: Berlin wird Bundeshauptstadt. Punktum. Die große Frage war: Was soll nur aus der guten, alten "heimlichen Hauptstadt" München werden?

Stand: 21.01.2019 | Archiv

Hauptstadtdämmerung: München vor und nach der Wende

Regelrechte Schockwellen bis in die Stadtspitze hinauf hatte die deutsche Wiedervereinigung ausgelöst. Gerade noch hatte München den Ansturm der DDR-Bürger mit der Auszahlung des Begrüßungsgeldes gemeistert, da deutete sich schon die nächste Überraschung an, erinnert sich Christian Ude, damals Stadtrat, später Oberbürgermeister von München:

"Die so stolze, selbstbewusste und saturierte Münchner Stadtgesellschaft wurde sich plötzlich bewusst, wie nah Berlin ist, dass es wieder Hauptstadt werden kann und es brach eine panikartige Angst aus, dass München tiefste Provinz wird, ein bedeutungsloses Millionendorf."

Christian Ude, SPD-Stadtrat und später Münchner Oberbürgermeister

München und die Schickeria

Rossini, oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief, Deutschland 1997, Regie: Helmut Dietl

Aber so schnell gab sich München nicht geschlagen, hatte man doch an der Isar jahrzehntelang ein kaum zu erschütterndes Selbstbewußtsein aufgebaut: Tummelten sich hier nicht die Reichen und Schönen, florierte nicht das Filmgeschäft in Geiselgasteig, hatte München nicht die "heiteren Spiele" 1972 ausgerichtet? Die "Bussi"-Gesellschaft gehörte doch an die Isar, die Klatschreporter jagten hier den Skandälchen der Schickeria hinterher - und der Wannsee konnte doch nicht ernsthaft mit dem Tegernsee konkurrieren?

Gut - ein paar Künstler meinten in der ersten Berlin-Euphorie, sie müssten unbedingt dahin gehen, wo die Musik spielt, aber was nützen billige Ateliers in heruntergekommenen Fabrikhallen, wenn es kein zahlungskräftiges Publikum gibt?

"München war eine Hauptstadt mit Herz und Nerz…"

Michael Graeter, Klatschkolumnist

… neben Herz und Nerz spielt heute natürlich auch der Kommerz eine gewichtige Rolle: Keines der in München und Umgebung ansässigen Dax-Unternehmen ist abgewandert. Der Reiz der Umgebung, die hohe Lebensqualität, Biergärten, Oktoberfest, die Nähe der Alpen - all das trägt dazu bei, dass München nach wie vor in verschiedenen Städterankings Top-Plätze einnimmt. Die Wende hat München zwar einen Dämpfer verpasst, aber München ist heute so beliebt wie eh und je - sowohl bei Studenten, als auch bei Touristen und Wirtschaftsbossen. Und was das Selbstbewußtsein angeht: Das alte Motto "Mia san mia" funktioniert nach wie vor.


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