Bayern 2

     

Heinz Strunks neuer Roman Abschied von der Illusion eines glücklichen Lebens

In Heinz Strunks "Es ist immer so schön mit dir" verfällt ein Mittvierziger einer 15 Jahre jüngeren Schauspielerin – und was sich zunächst nach einer oft gehörten Geschichte anhört, entpuppt sich als ein Treffen zweier Versehrter.

Von: Brigitte Neumann

Stand: 05.08.2021 | Archiv

Autor Heinz Strunk sitzt auf einer Dachterrasse. | Bild: dpa-Bildfunk/Marcus Brandt

Das Beste zuerst: Der Roman "Es ist immer so schön mit dir“ von Heinz Strunk schert sich kein bisschen um die aktuellen biedermeierlich anmutenden Debatten, was man denken und was man sagen darf und wer dazu befugt ist. Er schreibt keck und frei von der Leber weg darüber, wie sein namenloser Held das alles findet – die Frauen, den Sex, das Saufen, "Freunde".

Freunde in Anführungszeichen, denn für den Betreiber eines erfolgreichen Ein-Mann-Tonstudios Mitte vierzig sind die Männer, die er noch aus Jugendtagen kennt Loser. Ihr Unglück stößt ihn ab, hat er doch genug mit seinem eigenen zu tun. Er ist der 15 Jahre jüngeren Schauspielerin Vanessa verfallen, die aber hält ihn auf Abstand. Eine amour fou. Eines Tages lädt sie ihn ein, eine Probe ihrer Theatertruppe zu besuchen:  

"Aus der Tiefe der Bühne schält sich eine Gestalt. Der Regisseur. Er bewegt sich mit mechanischen, energisch rudernden Schulterbewegungen, wie kleinere Menschen eben gehen. Seine Proportionen wirken seltsam aufgeblasen und viereckig, wie vom Paketdienst geliefert. 'So', sagt der sprechende Karton."

Heinz Strunk: Es ist immer so schön mit dir

Und verteilt Kopien mit seinen Kürzungen. Vanessa sagt ihre Zeilen lustlos auf, ihre Bühnenpräsenz lässt zu wünschen übrig, urteilt der frustrierte Liebhaber. Irgendwann landen die beiden im Bett. Sugar Daddy, wie der Protagonist sich selbst nennt, macht seiner Prinzessin einen Heiratsantrag.

Treffen zweier Versehrter

Die nächste herausragende Szene des Romans ist die Nacherzählung der erschreckenden Kindheitsgeschichte von Vanessa. Hat Heinz Strunk vorher stets aus der distanzierten Er-Perspektive und ausschließlich aus Warte seines Helden erzählt, erweitert er nur für den Bericht über Vanessas Missbrauchsgeschichte diese Perspektive ins Auktoriale, was im Ergebnis fürsorglich wirkt:

"Wieso wehrt sie sich nicht, wieso zieht sie niemanden ins Vertrauen, nicht die Mutter, nicht den Pastor? Mitschüler? Geht nicht. Geht nicht mehr. Sie fühlt sich schwer wie Blei oder wie der dichte, luftlose, giftige Schlamm am Grund eines toten Gewässers. Er droht jetzt immer öfter, droht, dass etwas Schlimmes passieren würde, wenn sie nur ein Sterbenswörtchen … dabei ist das gar nicht nötig. Es ist Winter. Sie hat gehört, Erfrieren sei stufenlos und leicht."

Heinz Strunk: Es ist immer so schön mit dir

Die Leser verstehen nun: Zwei Versehrte haben sich getroffen. Die eine wurde als Mädchen plattgemacht und ausgebeutet, der andere sehnt sich verzweifelt nach dem Gefühl lebendig zu sein, und ist fast bereit, dieser Frau gegenüber seine Mauern niederzureißen. Aber nur fast. Das Kapitel über Vanessa ist klug und fein, einfühlsam und zärtlich geschrieben. 12 Seiten Pause von der schlechten Laune eines Mittvierzigers, der sich in einer Art seelischem Vakuum eingerichtet hat und da eigentlich auch bleiben möchte. Dem Leser, allemal der Leserin, wird deshalb bald ein wenig langweilig, obwohl der Erzähler sich anstrengt, sie zu unterhalten. Er bringt Sprüche, macht Witze, beschreibt alle, die er sieht, Urlauber, Kinogänger, Kneipengäste, von einer anrührend schauerlichen Seite. 

Anziehung durch Fremdheit

Was interessiert hätte wäre eine Antwort auf die Frage: Wieso? Wieso kommt der Held von Vanessa nicht los? Strunk antwortet dazu: "Das hängt unter anderem damit zusammen, dass sie sich ja nie richtig nahekommen. Es entspricht auch meiner Erfahrung, dass sexuell-erotische Anziehung aus Fremdheit resultiert."

Also gäbe es ja nie Sex und Nähe gleichzeitig? Strunk verteidigt seinen Helden gegen den Verdacht der Kaltfischigkeit: "Der Protagonist ist weder ein Zyniker noch besonders unglücklich noch sonstwiewas. Von der Illusion eines glücklichen Lebens hat er sich verabschiedet. Von einem komplikationsfreien nicht." So.

Heinz Strunk, der während des Gesprächs mit dem BR erst sagt, seine Biographie sei schon vor dem Serienmörderroman "Der goldene Handschuh" von 2016 auserzählt gewesen, gibt dann später doch zu: "Sie können sich ja vorstellen, dass wieder relativ viel von mir da drin ist. Man kann ja überhaupt nur über Sachen schreiben, von denen man Ahnung hat."

Dass der Mensch ein armer Teufel ist, davon hat Heinz Strunk Ahnung und kann darüber schreiben wie sonst keiner, von der Liebe leider nicht. Weshalb der Roman "Es ist immer so schön mit dir“ überfüllt wirkt, als hätte Strunk viel zu viele Wörter und Sätze zwischen zwei Buchdeckel gestopft, nur um davon abzulenken: Liebe kommt hier nicht vor.