Zeitstrahl Geschichte der bayerischen und alpenländischen Musik
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1860
Maximilian II. König von Bayern gab 1860 das "Königsbüchl" in Auftrag.
1860
Vom "Aufmupfen" und "Stillehalten"
Bereits die Wilderer, die Auswanderer, die Eisenbahn- und Telegrafengegner des 19. Jahrhunderts sangen in bayerischen Volksliedern gegen politische Gängelung und Umweltzerstörung - eine Bewegung, die König Max II. umgehend parierte: Er verteilte das "Königsbüchl" - ein Liederbuch mit sanften, teils poetischen Liedern und Jaga Gstanzln - und schuf so einen Kanon des unverfänglich Singbaren.
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1920
Mit dem Saxophon erweitert sich das Instrumentarium in den 1920er Jahren.
1920
Satirisch, aber auch kitschig
Die in der Industrialisierung aufkommenden Münchner Volkssänger bildeten ihre Wirklichkeit in komödiantischen und satirisch-kommentierenden Liedern ab. Blaskapellen auf dem Land nahmen ganz selbstverständlich Tango, Schieber und Charleston in ihr Repertoire auf. Andererseits bildete sich schon Anfang des 20. Jahrhunderts eine kommerzielle Musikform heraus, die speziell auf zugereiste Gäste abgestimmt war. Sie zwängte das Land und seine Bewohner - teils krachert, teils romantisch - in musikalisch-kitschige Klischees.
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1925
Ludwig Thoma
1925
Volksmusik als Gegenbewegung
Mitte der 1920er Jahre formierte sich, angestoßen durch Ludwig Thoma und den Münchner Sänger und Musikanten Paul Kiem, eine Gegenbewegung: Kiem Pauli, Prof. Kurt Huber und viele ehrenamtlich wirkende Volksliedsammler und -pfleger legten Wert auf unkommerzielle, unpolitische und unspektakuläre Volksmusik.
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1933
Kurt Huber rief mit den Geschwistern Scholl zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten auf.
1933
Volksmusik in der NS-Zeit
Inwieweit die verqueren Vorstellungen der NS-Kulturverantwortlichen die Volksmusikpflege beeinflussten, ist je nach Person und Situation unterschiedlich. So sprach Prof. Kurt Huber einerseits - damals durchaus üblich - von der "Reinheit" der Musik und trat in einem Gutachterausschuss dafür ein, dass Jazzinstrumente und Saxophone für bayerische Kapellen unzulässig seien, ereiferte sich aber auch gegen das von ihm so benannte verkitschte Talmi-Bajuwarentum.
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1945
Paul Kiem alias Kiem Pauli
1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Musikszene in Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich einerseits aus der wiedererstarkten volkstümlichen Schlagermusik zusammen - mit über die deutschen und österreichischen Fernsehsender verbreiteten Jodelakrobaten und Schunkelmusik. Auf der anderen Seite standen begeisterte Anhänger der "echten" Volksmusik - wie sie von Kiem Pauli oder auch Wastl Fanderl bezeichnet wurde.
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1960
Wastl Fanderl - Sänger, Volksmusikpfleger, Rundfunkmoderator
1960
Heimat und Volksmusik - zwei "Unwörter"
Zwischen 1960 und Anfang der 1980er Jahre waren die Fronten in Bayern übersichtlich: Wer alpenländische Volksmusik pflegte, zählte zum konservativen Kreis. Die Volksmusikanten um Wastl Fanderl bekannten sich zu einer weiß-blauen christlichen Heimat. Zwar waren sie auf dem Weg zu einem unpolitischen Sehnsuchtsort, wurden aber von der CSU unterstützt und gefördert. Wer sich politisch links von der CSU positionierte, scheute das Thema "Heimat".
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1970
Hans Well & Co. stehen seit den 1970ern für eine ganz neue Art der Volksmusik.
1970
Folk und Folklore
Im Gegensatz zu den Unworten "Heimat" und "Volksmusik" gewannen die Begriffe "Folklore" und "Folk" in den 1970er Jahren an Bedeutung. Die traditionelle Musik der keltischen Unabhängigkeitsbewegung in Irland, Schottland und der Bretagne - gespielt und gesungen von jungen Protestlern in Jeans und T-Shirt - konnte viele Bayern begeistern, für die alpenländische Tracht, Stubnmusik und Dreigesang bisher nur Schreckgespenster gewesen waren.
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1990
Monika Drasch: "A bissl Gummi, a bissl Leder, es war schee!"
1990
Kritik und Provokation
Die damalige Musikstudentin Monika Drasch - quirlig, rothaarig, frech, unter dem Kinn eine grüne Geige - wird seit Beginn der 1990er zum optischen Aushängesschild der Neuen Wilden. Doch nicht nur das Outfit, auch die Lieder des Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinns erbosten viele Volksmusikfreunde. Sie fühlen sich und ihr Bekenntnis zu Heimat und Kultur verhöhnt.
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1992
Mit einer Pop-Version des Hiatamadls stürmte Hubert von Goisern 1992 die Hitparaden.
1992
Neues Heimatbewusstsein
Hubert von Goisern führte Pop und Volksmusik zusammen und brachte Disco-Besucherinnen dazu, mit Hingabe das Hiatamadl zu tanzen - einen alten alpenländischen Volkstanz. Der alpine Dancefloor und der Heimatsound waren geboren. Das Festival "Schräg dahoam" auf dem Münchner Tollwood feierte Anfang der 1990er Jahre die neue Szene. Neue Musik aus Bayern wurde zum Geschäft.
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2000
"Volxmusik ist Rock'n'Roll!", sagt David Saam von der Band Kellerkommando
2000
Heimat 2.0
Ein neuer Heimathype einerseits - eine neue Gelassenheit andererseits breitet sich aus: Links = Rock und Hip-Hop. Rechts = bayerische Volksmusik, diese Gleichung gilt nicht mehr. Ein ganzes Universum von Musik entfaltet sich, wenn zum Beispiel Kellerkommando auf der Bühne steht: Trachtenrap und Frankenpunk.
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2010
Die Sagschneider Malan
2010
Tracht hoch im Kurs
Die traditionelle Volksmusik in Tracht und mit festen Formen ist übrigens keineswegs auf dem Rückzug. In Bayern wird so viel traditionell musiziert wie selten zuvor. In Bergwirtschaften und auf Volksmusikfestivals sitzt man zusammen - an Harfe und Hackbrett, in selbstgeschneiderten Dirndlgewändern, mit kunstvoll aufgesteckten Frisuren, Bauernzöpfen und verwegenen Stopslhüten. Mit Feuereifer erfreut man sich an Dreiklängen und fast erotisch knisternden Triolen, an Zwiefachen-Rhythmen, innigen Liebesliedern und Jodlern.