Kleine Flamme, große Bedeutung Olympia in Hohenschäftlarn
Franz Samuel hat 1972 beim Fackellauf vor den Olympischen Spielen in München das Feuer stibitzt – und hat es bis heute in seinem Haus in Hohenschäftlarn am Brennen gehalten. Wenn das kein Rekord ist.
Vorsichtig nimmt Franz Samuel die Kristallvase vom Heizungssims gleich hinter der Eingangstür. Darin flackert die olympische Flamme.
"Ich möchte dazu sagen, dass ich vorsichtig bin. Es könnte einer kommen und ein Attentat vorhaben und mir das Feuer ausblasen. Ich hab‘ draußen noch eins brennen – zur Sicherheit."
Franz Samuel
Ein langer Docht und Ewig-Lichtöl
Seit 48 Jahren hütet der 88 Jahre alte Franz Samuel die olympische Flamme mit aller Hingabe. In der Vase ist ein langer Docht und Ewig-Lichtöl, wie man es in den Kirchen verwendet.
"Das brennt immer elf Tage, dann muss ich‘s wieder umfüllen. Aber ich lasse das niemanden machen, weil‘s keiner so kann wie ich!"
Franz Samuel
Eine richtige Devotionalienecke ist das im Hausflur der Samuels. Ein Fähnchen steht da, das Samuels Kinder im Stadion getragen haben. Ein Goofy mit der Flamme und außerdem ein Schlumpf und ein Olympiawaldi. Und natürlich das Wichtigste: die Kristallvase mit der olympischen Flamme – auf der Vase ein metallenes Küchensieb.
"Damit mir, wenn ein Nachtfalter oder so was kommt, der mir das nicht auslöscht. Das ist ja nur ein kleines Flämmchen."
Franz Samuel
Seine Frau darf nicht an die Flamme
Das olympische Feuer in seinem Hausflur – es ist eine kleine Flamme mit großer Bedeutung für den 88-Jährigen. Da lässt er keinen andern ran – auch nicht seine Frau Inge.
"Nein, da traue ich mich nicht ran. Nein, das ist allein Sache meines Mannes – ich freue mich, wenn er glücklich damit ist und natürlich auch über die Olympiade, das war ja ein einmaliges Erlebnis."
Inge Samuel
Am 25. August 1972, einen Tag bevor die Olympischen Spiele in München eröffnet werden, wird das olympische Feuer im Fackellauf von Wolfratshausen über die B11 durchs Isartal nach München gebracht. Fackelwechsel ist ausgerechnet in Samuels Heimatort in Hohenschäftlarn-Ebenhausen. Dort sind zwei Pylonen aufgestellt, der Gesangsverein tritt auf, der Bürgermeister ist da. Da achtet keiner auf Franz Samuel, der nicht lange fackelt.
"Ich bin hin, hab mein Laternderl aufgemacht – mein Sohn hat mir dabei geholfen. Und dann habe ich das angezündet, zugemacht – und schon haben wir‘s gehabt."
Franz Samuel
Erst einen Tag später erreichet die Flamme das Olympiastadion. Die Samuels wären gerne dabei gewesen, haben aber keine Karten bekommen. Also saßen sie vor dem Fernseher.
"Wir haben auf den Fernseher eine Kerze drauf gestellt mit der echten Flamme und haben gewartet, bis die einmarschiert sind – bei uns hat’s ja schon gebrannt. Dann haben wir auch gesehen, wie der Günter Zahn reingelaufen ist, die Treppen rauf. Und er musste dann zwei, drei Mal hinlangen, weil sie wahrscheinlich den Gashahn nicht rechtzeitig aufgemacht haben."
Franz Samuel
48 Jahre Feuer und Flamme
Und die Flamme brennt heute noch immer, auch noch nach 48 Jahren. Wie haben die Samuels das dann mit Urlaub gemacht?
"Wir sind eigentlich nicht in den Urlaub gefahren. Aber 1988 hat unser Sohn in Australien Hochzeit gehabt. Wie haben wir das gemacht? Ich hab zwei Dochte probiert zusammenzubinden. Und dann waren wir fünf Wochen in Australien. Und als wir wieder nach Hause gekommen sind, hat das Feuer noch eine Woche gebrannt. Das hat ohne Probleme funktioniert."
Franz Samuel
Immer wieder zündet Franz Samuel an der Olympischen Flamme eine Kerze an – zu Geburts- oder Namenstagen oder einfach so zum Frühstück. Und was, wenn seine Flamme doch mal ausgeht?
"Wenn sie mal versehentlich aus geht, dann ist sie aus. Da machen wir uns nichts vor."
Franz Samuel
Und wenn er mal nicht mehr ist?
"Alles nimmt ein Ende. Dann ist es vorbei. Aber ich hoffe, ich lebe noch lange. Ich wünsche mir, dass ich 111 Jahre alt werde, weil 11 meine Lieblingszahl ist. Also da hab ich noch etliche Jahre hin."
Franz Samuel