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Kommentar: Kritik an Siemens-Chef Joe Kaeser weiter unter Druck

Die Quartalszahlen, die Siemens-Chef Joe Kaeser vorgestellt hat, waren bei der gestrigen Hauptversammlung in München nur noch eine Nebensache. Stattdessen musste sich Kaeser für ein geplantes Kohleprojekt in Australien rechtfertigen, für das er seit Wochen von Umweltaktivisten kritisiert wird. Nach Meinung von Margit Siller bleibt der Konzern-Chef weiter unter Druck. Ein Kommentar.

Von: Margit Siller

Stand: 06.02.2020

05.02.2020, Bayern, München: Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens, nimmt an einer Pressekonferenz im Rahmen der Siemens-Hauptversammlung in der Olympiahalle teil. Foto: Peter Kneffel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Peter Kneffel

Verkehrte Welt - ausgerechnet eine 17-jährige Umweltaktivistin aus Australien appellierte auf der Hauptversammlung an Joe Kaeser, sich an sein eigenes Vermächtnis zu erinnern, wenn er seinen Chefsessel aufgibt. Wer nach 40 Jahren im Unternehmen als Konzernlenker abtritt, den dürften diese Worte nachdenklich machen. Kaeser ist unter Druck geraten, weil niemandem im Vorstand klar war, welche Tragweite dieses unselige Projekt in Australien haben würde.

Angebliche Ahnungslosigkeit

Wo waren die Buschtrommeln im Konzern, nachdem jahrelang erbittert über diese Kohlemine in Australien gestritten wurde, dass sich ein Teil der Ureinwohner dagegen wehrte? Denn auch das war bekannt. Nichts gewusst in München? Nichts mitbekommen? Ja, die Welt ist ungerecht. Dass der Konzern seine Prognosen unter Joe Kaeser an der Spitze sechsmal in Folge erfüllt hat, dass Siemens seinen schwierigen Umbau bewältigen muss und dabei noch gutes Geld verdient: All das zählt wenig bis nichts in dieser aufgeheizten Klimadebatte. Schlimm, dass im Vorfeld gepatzt wurde. Schlimmer, dass Kaeser angeblich von nichts wusste und dann selbst über Twitter das Thema im Nachhinein zur Chefsache machte. Und noch schlimmer, dass er sich bei seinem Versuch, den Schaden zu begrenzen, in Widersprüche verstrickt hat.

Wartungsarbeiten an einem Vermächtnis

Luisa Neubauer, Klimaschutzaktivistin, steht während der Siemens-Hauptversammlung 2020 vor der Olympiahalle auf einer Kundgebung und spricht.

Jetzt sagt Kaeser selbst: Bei solchen Themen kann man nicht gewinnen. Am schlimmsten aber für Siemens ist, dass die grundsätzliche Frage bislang nicht geklärt ist. Welche Geschäfte mit fossilen Energien darf und soll Siemens noch machen? Was ist mit den Kohlekraftwerken in aller Welt, die jahrzehntelang gewartet werden müssen? Gerade im Servicegeschäft ist viel zu verdienen. Und was, wenn es schon bald nicht mehr um einen vergleichsweise kleinen Auftrag geht, auf den Siemens leicht hätte verzichten können, sondern um ein Milliardenprojekt? Es wird höchste Zeit, diese Frage zu stellen und nach der Antwort zu suchen. Darauf haben alle ein Recht: die Beschäftigten von Siemens, die Aktionäre und die Kunden und auch die jungen Umweltaktivisten. Die Verantwortlichen haben den Weckruf sicher gehört. Und das wäre dann im positiven Sinn tatsächlich ein Vermächtnis.


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