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Lachen verboten!? Der Beruf des Totengräbers

Schon allein beim Wort "Totengräber" schaudert es den ein oder anderen. Um den Beruf ranken sich viele Legenden und Geheimnisse. Doch gibt es den klassischen Totengräber heute überhaupt noch?

Von: Tobias Föhrenbach

Stand: 25.10.2019 | Archiv

Lachen verboten!?: Beruf: Totengräber

Es ist Freitag, 7:00 Uhr in der Früh, auf dem Erlanger Zentralfriedhof. Ein Ort ewiger Ruhe? Naja, gerade zumindest nicht, denn die beiden Grabmacher Christina Berger-Hilse und Gottfried Kaluza beginnen ihr Tagwerk. Sie gehören zum Technischen Team der städtischen Friedhofsverwaltung, das insgesamt auf zehn Friedhöfen in der Stadt und Umgebung Gräber auf und wieder zumacht.

Grabvorbereitung – das ist körperliche Schwerstarbeit

Ein Totengräber hebt ein Grab aus.

Zuerst kommen Buchsbäume und Efeu weg, dann arbeitet sich die Baggerschaufel durchs Erdreich. Doppeltiefe, also 2,40 Meter, damit später noch ein zweiter Sarg obendrüber Platz hat. Der Erdaushub wird immer größer, an der Seite wird eine riesige Aluminiumverschalung bereitgestellt, die später ins Grab hinabgelassen werden soll, damit die Seiten nicht plötzlich einstürzen. Alles schon mal dagewesen. Das eingespielte Team bereitet bereits seit über 20 Jahren gemeinsam Gräber für die Beerdigungen vor. Täglich, bei jeder Wetterlage, mal mit Bagger, mal von Hand.

"Wir haben auch noch Gräber, die man schaufeln muss. Wir haben einen kleinen Friedhof in Frauenaurach und da sind die Gräber so nah aneinander, dass man dann gar nicht mit dem Bagger reinfahren kann. Ist das anstrengend? Ja, heute ist es gescheit hart. Man muss sich konzentrieren."

Christina Berger-Hilse und Goffried Kaluza vom Technischen Team der Friedhofsverwaltung

Bayerns erste Grabmacherin

Der Belastung, die Gräber von Hand auszuheben, was je nach Bodenbeschaffenheit vier bis fünf Stunden dauern kann, sieht sich Christina Berger-Hilse nicht mehr ausgesetzt. Die männlichen Kollegen springen ihr bei. Als die Grabmacherin von ihrem Chef Bernhard Griesmann Ende des letzten Jahrtausends eingestellt wurde, war sie die Erste ihrer Zunft in Bayern.

"Das war damals schon etwas Neues. Der Hintergrund war eigentlich der, dass wir gesagt haben, vielleicht kann eine Frau mit den Angehörigen besser umgehen. Und das ist auch wirklich so. Sie hat das Einfühlungsvermögen, vielleicht auch deshalb, weil sie vorbelastet war. Die war nämlich Dorfhelferin vorher und da musste sie ja auch teilweise in Familien rein, die Schicksale haben. Und das war auch der Grund, dass wir gesagt haben, das machen wir jetzt mal."

Bernhard Griesmann

Zum Job gehört der Kontakt zu den Angehörigen

Ein Formular zum Anzeigen eines Sterbefalles in einem Bestattungsinstitut.

Der Kontakt zu den Angehörigen – nur ein Grund, warum Christian Berger-Hilse mittlerweile auch als Hospizbegleiterin tätig ist. Da steht also eine schlanke Frau am Grab mit warmem, offenem Blick, gesunder Teint, kurzer, moderner Haarschnitt, Arbeitshose, Weste, Sicherheitsschuhe, gerade ein Handy am Ohr. So sieht also ein typischer Totengräber aus?!

Dienst am Nächsten – ohne dafür viel Geld oder Anerkennung zu bekommen

Früher kümmerten sich sogenannte Seelfrauen um die Pflege und das Herrichten der Verstorbenen, die Totengräber übernahmen die Bestattungen. Hierarchisch aufgeteilt in Totengräbermeister, Oberknecht und Knecht. Alles privat organisiert, doch mit Dokumentationspflicht versehen gegenüber dem Rat der Stadt. Man wollte sichergehen, dass die Toten auch wirklich unter der Erde liegen, angesichts von Legenden rund um Wiedergänger und Scheintote. Alles in allem eine Arbeit, die zur Mystifizierung der Tätigkeit und vor allem der Person des Totengräbers beitrugen. Antonia Landois, die Nürnberger Stadtarchivarin, hat 2018 zum 500-jährigen Bestehen der Nürnberger Friedhöfe Rochus und Johannis eine Ausstellung über die Bestattungskultur erstellt.

"Im sozialen Gefüge haben die Totengräber eine ambivalente Stellung inne. Einerseits verrichten sie tagtäglich christliche Dienste – also es ist ja ein Dienst am Nächsten, ihn ordentlich zu Grabe zu bringen. Auf der anderen Seite – und das kann man sehr deutlich durch die Jahrhunderte sehen – sind das eher randständige Existenzen. Also alleine schon vom Salär her. Die haben nicht viel verdient, die waren nicht angesehen, gesellschaftlich. Aber das muss man ganz deutlich dazu sagen, diese Schauergeschichten, die es über die Totengräber gibt aus der frühen Neuzeit, also dass sie zum Beispiel Leichenteile verkaufen: dass diesen Beruf so etwas Anrüchiges umgibt, kann man aus den Quellen nicht belegen, weil diese Männer Bürgerrecht hatten und es keine Hinweise gibt, dass die in irgendeiner Form nicht ruchbar gewesen wären."

Antonia Landois, Nürnberger Stadtarchivarin

Urnenbeisetzung im Friedwald

"Wir sind heute bei einer Urnenbeisetzung im Ruhewald Schloss Tambach, das ist im Raum Coburg. Damit sind wir betraut worden von der Familie. Wir mussten also den Verstorbenen abholen vom Sterbeort, ihn dann ins Krematorium überführen und die Trauerfeierlichkeit findet heute im Ruhewald statt."

Sebastian Schunder, Bestatter

Baum in einem Friedwald

Sebastian Schunder, der Juniorchef des Bestattungsunternehmens Schunder mit Sitz in Prölsdorf im Landkreis Bamberg, trägt die Urne mit dem Verstorbenen in die Andachtshalle des Ruhewaldes. Ein Friedwald, der seit 2008 existiert, mit 22 Hektar Fläche. Die Urnen werden am Fuße ausgewählter Bäume begraben. Ein Messingschild weißt den Verstorbenen aus.

"Es ist heutzutage eine gewöhnlicherer Bestattungsform - die Urnenbeisetzung. Generell kann man sagen, dass in den letzten Jahren die Feuerbestattung schon sehr zugenommen hat, es sind schon weit über 50 Prozent. Jeglicher alternativer Bestattungsform geht eine Feuerbestattung voraus und da gibt es verschiedenste Möglichkeiten, wie man eine Urne beisetzen kann."

Sebastian Schunder, Bestatter

Vielfältige Bestattungsarten, vielfältige Anforderungen

Eine Seebestattung auf der Nordsee

Baumbestattung, Seebestattung, Fels-, Luft-, Diamantbestattung oder Almwiesenbeisetzung: So vielfältig die Bestattungsarten heute sind, so vielfältig sind heute auch die Anforderungen an ein modernes Beerdigungsunternehmen. Bestattungen Schunder entstand aus einer 1922 ins Leben gerufenen Schreinerei, die vom Großvater betrieben wurde. Zu Sargherstellung und Überführung des Leichnams kamen über die Jahrzehnte immer mehr Dienstleistungen dazu – bürokratischer Art, aber auch im Bereich der Ausgestaltung, der Traueranzeigen und der Durchführung von Beisetzungen mit eigener, modern ausgerüsteter Aussegnungshalle. Und auch die Tätigkeiten der in vielen Gemeinden ansässigen, klassischen Totengräber wurden übernommen.

"Grundsätzlich sind Friedhöfe entweder kommunal geführt oder kirchlich. Bei kirchlichen Friedhöfen ist es so, dass meist die Bestatter, die mit dem konkreten Fall betraut sind, auch für das Grabmachen zuständig sind. Bei kommunalen Friedhöfen sieht es anders aus. Da ist es entweder so, dass die jeweilige Kommune, also der Bauhof, die Gräber macht oder aber sie holen sich Unterstützer durch einen Subunternehmer, der dann im Auftrag von der Gemeinde die Gräber erstellt. Da ist es aber dann unabhängig davon, wer mit dem Fall betraut ist."

Sebastian Schunder, Bestatter

Das sind sogenannte Erfüllungsgehilfen, die das Grabmachen nebenberuflich betreiben, Landschaftsgärtner zum Beispiel. Sebastian Schunder hat sich ebenfalls ein weiteres Gebiet erschlossen. Neben der Ausbildung zum Bestattungsmeister hat er das Handwerk des Thanatopraktikers gelernt, was u.a. die Rekonstruktion bei Unfallopfern beinhaltet und das Einbalsamieren von Leichnamen.

Bestatter: "Ein sehr schöner Beruf"

Menschen, die im Bestattungswesen arbeiten, waren und sind bis heute mit Vorurteilen und skeptischen Blicken konfrontiert.

"Für mich war es aber die richtige Wahl. Klar ist, man muss nicht damit rechnen, dass das ein normaler Bürojob ist, wo man eben von 8.00 bis 16.30 Uhr in der Firma und danach zuhause ist und seinen Feierabend hat. Gestorben wird immer, das heißt man hat auch Wochenenddienste und muss nachts zu den Leuten raus. Aber es ist auch ein sehr schöner Beruf, es kann ein sehr schöner Beruf sein, weil man auch merkt, dass man mit seiner Arbeit anderen Menschen in einer seelischen Ausnahmesituation helfen kann und etwas Gutes bewirken kann. Wenn man das mitbekommt und wenn das einem rückgemeldet wird, dann ist das eine sehr tolle Motivation für einen."

Stefan Pongratz, Bestatter

Zurück auf dem Zentralfriedhof in Erlangen. Ein leichter Nieselregen setzt ein. Die beiden Grabmacher Christina Berger-Hilse und Gottfried Kaluza haben das Familiengrab vollständig ausgehoben und mit der Baggerschaufel in 2,40 Metern Tiefe gleichmäßig glattgestrichen. Von einem Planwagen tragen sie große Aluminium-Trittbretter zum offenen Grab und bauen daraus eine Umrandung zusammen. Gleich werden sie diese letzte Ruhestätte fertiggestellt haben. Es wird nicht die einzige bleiben für diese Woche.


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