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Metropole des Humors Hörbach, sein Montagsbrettl und die jüngere bayerische Kabarettgeschichte

Die Frage, was Humor eigentlich sein soll, wo er anfängt und vor allem wo er aufhört, ist nicht immer leicht zu beantworten. Genau weiß man es oft erst dann, wenn er fehlt. Aber manchmal ist er auch einfach da, der Humor, felsenfest, und jede(r) weiß ganz genau, wo man ihn findet. In Hörbach zum Beispiel.

Von: Thomas Grasberger

Stand: 14.04.2023 | Archiv

Metropole des Humors: Hörbach, sein Montagsbrettl und die jüngere bayerische Kabarettgeschichte

München in den 1970er Jahren: Rappelvolle Kneipen, improvisierte Bühnen, pralles Leben. Zum Beispiel im Song Parnass oder in der Liederbühne Robinson, im MUH, im Kekk, im Hinterhoftheater oder in der Drehleier. Auf den Münchner Kleinkunstbühnen war jeden Abend was los.

"Die Leut sind weggegangen, die waren ganz wild drauf, was zu erleben. Also nicht daheim sitzen und Fernsehen schauen, sondern sie wollten einfach weggehen, einfach live was erleben. Und sie haben sich einfach über jeden Künstler gfreit, ob jetzt der gut oder schlecht war. Und das hast du gespürt, dass alle hungrig waren auf Erleben. Und das Erleben hat sich auf allen Ebenen abgespielt, auf der Bühne, hinter der Bühne, überall."

Helmut Eckl, Schriftsteller, Kleinkunst-Urgestein

Helmut Eckl und Zither-Manä

Kleinkunst-Größen wie Udo Lenze, Arthur Loibl, Fredl Fesl, Jörn Pfennig, Ecco Meineke oder Holger Paetz waren damals zu sehen und zu hören. Toni Drexler, Jahrgang 1947, damals Verwaltungsangestellter an der Universität, hat diese Abende genossen und so manchen Künstler auch persönlich kennengelernt. Eines Tages aber ist ihm die dauernde Fahrerei nach München hinein lästig geworden. Und er stellt sich die Frage: Warum kann man das nicht auch auf dem Land machen? Eine Idee war geboren: Das Hörbacher Montagsbrettl.

Die Zeit der aufmüpfigen 68er-Studenten war noch gar nicht lang vorbei, als allerorten bewegte Bürger politisch initiativ wurden! Jessasmaria - sogar auf dem bairischen Land! Was der staatstragenden Obrigkeit natürlich die Sorgenfalten in die Gesichter trieb. Denn auf die manchmal doch arg theoretische 68er-Rebellion folgte jetzt in den 70er Jahren noch was anderes: Was ganz Subversives! Brandgefährlich und unberechenbar! Der bayerische Humor! Der bekanntlich immer was Anarchisches hat.

Die Biermösl-Blosn 1982

Die Biermösl-Blosn: Wie Drexler selbst ein Sumpf-Gewächs aus der Umgebung des Haspelmoors, wo einst die wilden Räuber hausten. Hans, Michael und Stofferl - drei Brüder aus der damals schon weithin bekannten Musikerfamilie Well. Den klangvollen Namen Biermösl-Blosn hat ihnen übrigens der Toni Drexler verpasst.

Und plötzlich war damals allen klar: Volksmusik plus Satire plus Anarchie ist auch Bayern! Das andere Bayern.

"Genau, das ist da zusammenkommen. Das ist nachad verbunden worden mit politischen Themen, dass man sie halt gegen besonders die staatstragende Partei gewendet hat und da aufmüpfige Lieder und Texte gehört hat. Das war einfach ein Novum also, und das hat einfach bei vielen offene Türen eingrennt."

Toni Drexler, Hörbacher Montagsbrettl

Toni Drexler

Lang hat's nicht gedauert, bis der Hörbach-Toni und sein Montagsbrettl weit über den Landkreis hinaus bekannt waren. Die Zuschauer kamen aus dem Münchner Raum genauso wie aus dem Augsburger, die Künstler aus ganz Bayern und darüber hinaus. Hörbach wurde ein botanischer Garten für Kleinkunst-Gewächse aller Art. Vom zartesten kabarettistischen Nachwuchs-Pflänzchen bis zur knorrigsten alten Humor-Eiche. Gedeihen durften sie alle, nicht nur in der Ur-Heimat des Brettls, beim Sandmeir in Hörbach, sondern auch in den Gastwirtschaften der umliegenden Dörfer. Der Drexler Toni hat immer wieder neue Bühnen für sein Brettl aufgerissen. Beim Eberl in Hattenhofen, beim Drexl in Steinbach oder im Wirtshaussaal vom ehemaligen Gasthof Eder in Hausen. Egal wo, als Gast ist man immer nah dran am Geschehen, wo die Musik spielt. Auch als das Kleinkunst-Projekt immer größer wurde. Seit 1980 gab es alle fünf Jahre ein Jubiläumsfestival.

"Wer da gespielt hat, der hat auch woanders spielen können. Und deshalb war das, wenn man angefangen hat ganz wichtig, dass man da beim Toni auch hat spielen dürfen. Weil dann die anderen gesagt haben: Ja die spielt beim Hörbacher Brettl, spielt sie auch. Dann können wir sie auch einladen. Das war einfach schon wichtig."

Luise Kinseher, Schauspielerin, Kabarettistin, Mamma Bavaria

Humor braucht ein Fundament. Sonst ist es nur seichter Schmarrn. Oder ums mit dem Philosophen Arthur Schopenhauer zu sagen: "Beim Humor versteckt sich der Ernst hinter dem Scherz." Für Toni Drexler hat dieser Ernst viel mit Heimat zu tun.

Da stellt sich die Frage, wo die Heimat künftig ihre Heimat haben wird? Beim Sandmeir in Hörbach, der Urheimat des Montagsbrettls, da fängt im Mai 2023 ein neuer Betreiber an. Ein gutes Zeichen. Aber um die Zukunft ist dem Toni Drexler eh nicht bang. Die Nachfolgefrage im Brettl-Verein ist geregelt. Neffe Simon und Sohn Markus machen weiter. Und passende Spielorte hat der Toni Drexler immer noch aufgetrieben. Zum Beispiel einen, sechs Kilometer südlich von Hörbach.

"Jetzt sind wir in Adelshofen, im Pschorrhof. Das ist ein neu erstandener Spielort, muss man sagen. Es ist ein ehemaliger Pferdestall, der wunderschön hergerichtet worden ist. Das ist so ein Säulensaal. Und da werden wir in Zukunft auch öfter was veranstalten. Also es gibt eine Zukunft für das Hörbacher Montagsbrettl? Ja, auf jeden Fall. Wir machen weiter. Unverdrossen."

Toni Drexler, Hörbacher Montagsbrettl

Und hier noch zwei Buch-Tipps:

Tony Drexler, "Die Hörbacher Montagsbrettl Story. 33 Jahre gelebter Wahnsinn", Verlag via verbis bavarica

Helmut Eckl, "Vom Muh in die Ottobrunner Strass. Die Kleinkunstszene in München der 70er und 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts", Verlag Sankt Michaelsbund


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