Michael Bully Herbig Was ist das Bully-Geheimnis?
Bei Bully Herbig ist gerade viel los. Nach dem Erfolg seiner Comedy-Show "Last One Laughing" kommt nun mit "Der Boandlkramer und die ewige Liebe" der nächste Film heraus. Ein kleines Porträt des erfolgreichsten deutschen Filmemachers.
Er ist verliebt, der Tod. Genauer gesagt, dessen bayerische Spielart: Der Boandlkramer. Begräbnisschwarz gekleidet steht er an einem Bergsee. Der fettige Schlapphut hängt ins verhärmte Gesicht, neben ihm wiehert der alte Kutschgaul. Gemeinsam spüren die beiden dem eigentümlichen Sentiment der Liebe nach. Denn wie gesagt, der Tod ist verliebt – in dem geraden erschienenen Film "Der Boandlkramer und die ewige Liebe".
Gespielt wird dieser Boandlkramer von Michael "Bully" Herbig. Für alle, die mit dieser Figur nicht vertraut sind: Der Boandlkramer ist ein bayerisches Zwitterwesen aus Sensenmann und antikem Charon. Er holt die Toten und letztgeleitet sie statt auf einer Fährgondel auf einem maroden Fiaker ins Jenseits. Dieser Boandlkramer ist linkisch, etwas dümmlich und vor allem in der ursprünglichen Legende, wo der alte Büchsenmacher Brandner Kaspar nicht sterben will und den Tod zum Trinkspiel fordert, leicht unter den Tisch zu saufen. Sprich: der perfekte bayerische Antiheld.
Eigentlich ist der Boandlkramer nur der Sidekick in der alten Sage vom Brandner Kaspar. Die ist bereits tausendfach verfilmt worden. Unter anderem 2008 von Joseph Vilsmaier. Franz-Xaver Kroetz spielt darin den Brandner Kasper und den Tod spielt Michael Bully Herbig. "Das ist eine arme Seele ohne Freunde. Der kriegt Ticks, wird zum Freak," sagt Herbig. "Und das so spielen zu dürfen, war eine ganz große Freude. Ich wollte sozusagen den Tod als sympathisch personifizieren."
Aus Evergreens ein Franchise machen
Jetzt also das Brandner Kaspar-Spin-Off: "Der Boandlkramer und die ewige Liebe". Mit dem schrulligen Tod in der Hauptrolle. Die Idee dazu hatte Bully Herbig selbst. Diese Produktionsgenese steht ein bisschen für das Leben des Filmemachers Bully Herbig in einer Nussschale. Denn wenn Bully kommt, passiert es nicht selten, dass er einen storytechnischen Evergreen plötzlich in ein nationales Kino- oder Fernsehereignis verwandelt. Und während die Kritiker das Ergebnis meist triviale Unterhaltung schimpfen, sackt Bully so ziemlich alle deutschen Film- und Fernsehpreise ein, engagiert das Who is Who der deutschen Filmschaffenden und macht aus dem Ganzen gleich ein Franchise. So geschehen bei der "Bullyparade", dem "Schuh des Manitu", "(T)raumschiff Surprise", "Sissy, Wickie und die starken Männer" oder eben jetzt dem "Boandlkramer". Wie macht dieser Michael Bully Herbig das bloß?
Geboren wird Bully am 29. April 1968. In München. Er wächst als Einzelkind bei seiner alleinerziehenden Mutter auf. Er ist Bayern-Fan, was insofern relevant ist, als sich von deren damaligen Trikot-Sponsor, ein Bulldog-Fabrikant, sein Spitz- und späterer Künstlername "Bully" ableitet. Seine zweite große Leidenschaft ist das Fernsehen: "Man konnte ja damals nicht immer alles überall gucken, wann man wollte. Man hat also auf Filme oder seine Lieblingsserie hingefiebert", erinnert sich Bully. "Wickie etwa war so ein Ding: 'Wickie und die starken Männer'. Donnerstag, 17 Uhr 10, ZDF. Wenn du das verpasst, dann war das echt ein Problem."
Überhaupt betont Bully, wenn er von seiner Kindheit erzählt, die Bedeutung des Fernsehens. Die Lust auf alles, was Quatsch ist: die Absurditäten von Monty Python, der traurig-komische Slapstick der Stummfilme oder der überzogene Quatsch von Jerry Lewis. "Bei uns in der Familie wurde immer viel gelacht," sagt Bully. Vor allem bei den Großeltern und das, obwohl diese als Kriegsgeflüchtete traumatisiert gewesen seien. "Aber meine Großmutter hat immer gelacht. Am meisten über mich. Vor allem wenn ich ein bisschen Slapstick performt habe. Klar, wenn da ein Sechsjähriger daherkommt und den Buster Keaton nachmacht, das fand die halt lustig. Ich habe sehr früh gemerkt, dass es mir unheimlich Freude macht, Leute zu unterhalten."
Humor nach amerikanischem Vorbild
Der Humor des jungen Münchners ist wesentlich geprägt von amerikanischen Vorbildern, sein humoristisches Handwerk unterscheidet sich wesentlich vom alpenländischen Kabarett. Bei Bully gibt es nicht den doppelbödigen Ingrimm eines Gerhard Polt, nicht die bitterbösen Tiraden eines Sigi Zimmerschied, nicht die satirische Eloquenz der Lach und Schießgesellschaft. Bullys Humor ist seichter, sicher. Aber eben auch schneller, verspielter. Er ist lebensbejahend und vor allem durch und durch postmodern. Wo dem gemeinen bayerischen Kabarettisten das bajuwarische Wesen der einzige Bezugspunkt ist, pfeift Bully auf dasselbe. Für ihn sind die Eigenheiten des bayerischen Dialekts und Habitus vor allem ein komisches Prinzip, mit dem sich wunderbar die Welt des Kinos und des Fernsehens parodieren und brechen lässt. Am deutlichsten wird das sicher an seinen berühmtesten Figuren: Abahachi und Ranger in seiner Winnetou-Parodie.
Nach dem Realschulabschluss wird Herbig an der Münchner Filmhochschule abgelehnt. Er absolviert eine Fotografen-Ausbildung und schafft es 1992 beim Münchner Radiosender Gong anzuheuern. Hier lernt er Rick Kavanian kennen, mit dem er über Jahrzehnte zusammenarbeiten wird. Zwei Jahre später wechseln die beiden zu Radio Energy und lernen dort Christian Tramitz kennen. Die drei werden ein enges Team und entwickeln für das Radio die Figuren und Parodien, mit denen sie später Erfolge feiern werden.
Radio für die Augen
Gerade in dem Raum zwischen Radio und Fernsehen entstehen vielleicht ihre eigentümlichsten Kreationen: Etwa die drei Herren, die wie drei Geheimagenten in schwarzen Anzügen und mit Borsalino-Hüten in strahlendweißem Nichts völligen Unsinn rezitieren. "Die Kastagnetten", eine Nummer aus Verzweiflung geboren: "Ich saß immer am Computer, Rick völlig fertig in einer Couch und Christian lag ungelogen unterm Tisch. Der musste sich mal hinlegen. Wir saßen da in diesem kleinen Büro und haben nicht gewusst, was wir jetzt machen sollen.", sagt Bully Herbig. "Und ich habe einfach nur laut in den Computer reingetippt. Guten Tag: haben sie Kastagnetten. Und dann höre ich von unterm Tisch, wie Christian sagt: Nein, wir haben nur Kriegsschiffe. Und dann kam Rick dazu: Da muss ich aber erst im Lager nachschauen."
Dada pur. Der vor allem von seinem Sprachwitz und der Sprechperformance lebt. Wie "Die Kastagnetten" so sind auch zu Beginn der "Bullyparade" viele Sketche eigentlich nur abgefilmte Radionummern. Nicht ohne Grund erschien die "Bullyparade" als CD, was für die Comedy-Shows der 90er nichts Ungewöhnliches ist. Die Produktionsbudgets sind klein, angesichts des riesigen Outputs von über 100 Nummern pro Staffel. Dennoch erkennen Bully und sein damaliger Chef deren filmisches Potential. Irgendwann darf Bully selbst drehen und Regie führen.
"Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, was das mit mir macht, wenn ich an einem Set bin und kleine Kurzfilme drehen darf," sagt Herbig. "Da war ich plötzlich in meiner kleinen Welt des Genre-Films. Winnetou, Terminator. Zwar parodiert, aber ich habe immer versucht, den Stil des Genres authentisch zu treffen. Und aus diesen Winnetou-Sketchen hat sich irgendwann der Gedanke entwickelt: Lass uns einen Film draus machen."
Wachsendes Interesse an der Regie
Dieser Film wird der mit Abstand erfolgreichste Film der deutschen Fernsehgeschichte werden: "Der Schuh des Manitu". Hier kommt das Prinzip Herbig zur vollen Entfaltung. Als Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller macht er aus im Fernsehen entwickelten Parodien Millionenerfolge im Kino. Bully schafft dabei das, was wenigen Comedians seiner Zeit gelingt: Anstatt einer lose zusammenhängenden Nummernrevue der TV-Sketche, erzählt er seine Parodie als dichtes Abenteuer. Klar ist das schräg und komisch, aber eben wohl komponiert mit allen dramaturgischen Mitteln des filmischen Erzählens: Grundkonflikt, Liebesgeschichte, Bösewicht und vor allem Spannung. Schon als Kind, erzählt Bully, habe er ein Faible für Hitchcock gehabt.
"Meine Mutter hat immer gesagt, heute kommt ein Hitchcock. Und da habe ich dann eben mal durch den Türspalt gelugt. Damals liefen "Die Vögel" und das war zu diesem Zeitpunkt das Beste, was ich je gesehen hatte. Und ich hab‘ irgendwann bei mir festgestellt, dass ich vor allem von der Frage fasziniert war: Wie geht das, dass ich da Angst bekomme?"
Humor mit Ablaufdatum
Autodidakt Bully schaut sich auch sein Filmhandwerk bei den Meistern aus Übersee ab. Erzählerisch ist Bully damit den anderen Comedians meilenweit voraus, auch deshalb funktionieren die Filme noch heute bei einem breiten Publikum. Inhaltlich dagegen wirkt dieses postmoderne Abfeiern und Parodieren von Klischees heute unzeitgemäß. Etwa die Figur des Winnetouch: Abachis schwuler Zwillingsbruder. Ein american native im rosaroten Indianerkostüm, der gerne anzügliche Witzchen macht und die Hand so schön tuntig fallen lässt wie ein Tyrannosaurus in der Männersauna. Was in den frühen Nullerjahren den Menschen Tränen in die Augen trieb, wirkt in der woken Gegenwart im besten Falle plump, im schlimmsten verletzend. Seit Jahren wird Bully immer wieder mit dieser Kritik konfrontiert.
"Wir wollten niemanden verletzen, sondern immer die Leute unterhalten, die wir auf den Arm nehmen", sagt Bully. Für ihn seien die Diskussionen nicht neu, sie habe es auch schon vor 20 Jahren gegeben. "Deshalb waren die Leute, die wir parodiert haben, immer unsere Helden, etwa Natives beim Schuh des Manitu. Wir wollten ja nur Karl-May-Filme parodieren." Ähnlich sieht Bully das bei dem Thema Homosexualität. "Wir arbeiten in einer Branche mit Menschen von unterschiedlichster Orientierung. Das sind ja unsere Freunde. Und das Schönste hat uns Thomas Hermanns dazu gesagt: Also die einzigen, die die Schwulen parodieren dürfen, ist Bastian Pastewka und der Bully Herbig. Weil genauso klingt es, wenn man in München zum Friseur geht."
Bully erfindet sich neu
Die Gürtellinie, so Herbig, liege damals wie heute bei jedem Menschen woanders. Die Menschen, die Bully Ende der 90er für seine Harmlosigkeit schalten, kritisieren ihn heute für seine vermeintlich harschen Gags auf Kosten von Randgruppen. Das kann man angebracht, überzogen oder scheinheilig finden. Eines sagt es aber sicher: Humor hat ein Ablaufdatum. Und vielleicht ist das insgesamt das Überraschendste an diesem Phänomen Bully Herbig. Während die Karrieren vieler seiner Comedy-Kollegen heute in den Entertainment-Wüsten irgendwelcher Fernsehshows versanden, hat sich Bully längst zum einflussreichen Produzenten gemausert.
Er dreht und produziert Kinderfilme, ist gefragter Synchronsprecher und versucht sich immer wieder als Regisseur im ernsthafteren Genre. 2018 dreht er den Wende-Krimi "Ballon", gerade arbeitet er an einer Mediensatire zu dem Skandal um die gefälschten Spiegel-Reportagen des Journalisten Claas Relotius. Dazwischen erhielt er für seine Show "Last One Laughing", in der Kabarettisten sechst Stunden lang eingepfercht werden, ohne dabei lachen zu dürfen, selbst aus dem ihm nie wirklich gesonnenen Feuilletons Applaus. Wenn da dazwischen mal ein Film so in die Hose geht wie "Der Boandlkramer und die ewige Liebe", bricht dem erfolgreichsten deutschen Filmemacher wohl kein Zacken aus der Krone. Es ist vielmehr eine dramaurgische Volte, um den nächsten Erfolg größer scheinen zu lassen. Eigentlich wäre die Biofrafie Bullys doch ein wunderbarer Stoff für einen Bully-Film.
Das Porträt von Michael Bully Herbig läuft im Kulturjournal, das Sie hier abonieren können.