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Natur muss gefühlt werden Die Erfindung des Stadtparks und andere Parkgeschichten

Es muss nicht immer gleich ein Ausflug oder gar eine Reise sein: Für viele Städter bieten sich Parks an für das „kleine Grün zwischendurch“. Doch, was ist das eigentlich ein Park? Zu was war er ursprünglich gedacht und woraus hat er sich entwickelt? Wir stellen Ihnen eine Reihe von alten und neuen bayerischen Parks, ihre Geschichte und Geschichten vor.

Von: Gerald Huber

Stand: 21.08.2024 | Archiv

Bayern 2 Zeit für Bayern: "Natur muss gefühlt werden" - Die Erfindung des Stadtparks und andere Parkgeschichten

Der Mangel an Bäumen und Sträuchern war jahrhundertelang ein Spezifikum der durch die Stadtmauer vom grünen Land abgegrenzten Stadt, wo Grund und Boden viel zu teuer waren, um ihn nicht zu bebauen. Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert. Die Stadtmauern, moderner Waffentechnik nicht mehr gewachsen, wurden niedergelegt, die Gräben eingeebnet. Alexander von Humboldt gab die Losung aus Natur muss gefühlt werden und man wollte Zurück zur Natur nach Rousseauschem Vorbild. Deshalb legte man nun an den Rändern der Städte große Gärten an, die erst später nach englischem Vorbild Park genannt wurden. Bis heute erfreuen sich solche Stadtparks, zu Parks umgewidmete Friedhöfe, Naturparks oder nagelneue Spezialparks außerordentlicher Beliebtheit.

Die "Erfindung" des Parks

Englischer Garten im Frühling

Was ist das eigentlich ein Park? Offensichtlich etwas anderes als ein Garten. Obwohl man sich da anfangs, scheints, noch nicht so sicher war. Einer der ältesten und größten Landschaftsparks der Welt, der 1789 gegründete Englische Garten in München, heißt schließlich nicht Park.

Das Wort geht zurück auf das mittellateinische Wort parricus, das soviel bedeutet wie Gehege. Aus parricus wurde italienisch parco, französisch parc und deutsch Pferch. Gemeint ist damit ursprünglich ein durch einen Zaun von Wald und Wiese abgetrenntes Gelände, eine Weide also, auf der Vieh gehalten wurde. In der frühen Neuzeit kamen solche Pferche ganz groß in Mode als Wildgehege in der Umgebung von Schlössern. In seiner fast ursprünglichen Form sieht man sowas noch in Landshut. Dort ließen schon im Spätmittelalter die bayerischen Herzöge im Umfeld ihrer alten Stammburg Trausnitz einen durch eine hohe Mauer abgetrennten Garten errichten, den sogenannten Haag, heute Hofgarten genannt, wo sie Damhirsche und zahlreiches anderes Wild hielten, auf das sie mit ihren Gästen Jagd machten. Dieses alte Wort Haag wiederum ist nichts anderes als eben ein eingehegtes Gehege, das, was man dann in der Barockzeit, vor allem im Frankreich Ludwigs XIV., riesig ausgebaut hat, um darin den hohen Herrschaften das Wild reihenweise vor die Flinten treiben zu können. Letztlich geht auch der Münchner Englische Garten auf einen solchen Haag im Anschluss an die dortige Residenz zurück, den sogenannten Hirschanger. Im aufgeklärten 18. Jahrhundert aber kamen die so aufwendigen wie letztlich nutzlosen Treibjagden aus der Mode. Der Münchner Hirschanger wurde umgewandelt - in einen Militärgarten zunächst, wo die jetzt dauerhaft besoldeten Mannschaften des Bayerischen Heeres in Friedenszeiten eine sinnvolle Beschäftigung beim Anbau von Gemüse finden sollten. 1789 schließlich ließ Kurfürst Karl Theodor ihn nochmal umwandeln in einen Volksgarten nach englischem Vorbild mit dem Namen Theodors Park. Weil der Kurfürst in München aber außerordentlich unbeliebt und Park ein Fremdwort war, setzte sich ganz schnell die Umschreibung Englischer Garten durch. Der Münchner Park war in Kontinentaleuropa das erste große Beispiel eines solchen Volksgartens. In den nächsten Jahrzehnten schossen diese Volksgärten als Naherholungsgebiete für die Bürger überall aus dem Boden.

Theresienstein Hof

Ganz vorn mit dabei war zum Beispiel der Bürgerpark Theresienstein im oberfränkischen Hof, so benannt nach Terese von Sachsen-Hildburghausen, der Gemahlin König Ludwigs I. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte man begonnen die Berge und Höhen um Hof, die im kriegerischen 18. Jahrhundert verwüstet worden waren, wieder aufzuforsten. Es entstanden verschiedene Gartenbereiche, ein botanischer und ein zoologischer Garten, sowie klassizistische Bauten. Im Jahr 2003 wurde der Hofer Theresienstein mit dem Titel "Schönster Stadtpark Deutschlands" ausgezeichnet.

Der Friedhof als Spezialfall des Parks

Während also der Park ursprünglich ein Tiergehege, ein Haag war, ist der Garten etwas ähnliches für Pflanzen: Egal ob Rosengarten, Gemüsegarten, Wein- oder Hopfengarten. Garten hängt mit gürten, der Gürtel zusammen. Griechisch heißt es chortos, lateinisch hortus. Die jahrtausendealte Wortwurzel gr- oder hr-, wie sie auch im Greifendrinsteckt, bedeutet immer etwas umschließen, umfassen. Beiden also, Park und Garten, ist der Aspekt des eingehegten, umzäunten, abgeschlossenen gemeinsam. Das Urbild dafür ist das Paradies. Paradeisos ist ein griechisches Wort, und seinerseits wiederum ein Lehnwort aus dem Altpersischen pairi-daeza das tatsächlich ebenfalls Umwallung, Gehege bedeutet. In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments wird paradeisos benutzt als Bezeichnung für den Garten Eden. Und schon dieses hebräische bzw sumerische Originalwort Gan Eden bedeutet soviel wie Rand, Grenze der himmlischen Steppe. Diese Grenze muss der Mensch nach dem Sündenfall überschreiten.

"Gott, der Herr, schickte ihn aus dem Garten von Eden weg … und stellte östlich des Gartens von Eden die Kerubim auf und das lodernde Flammenschwert, damit sie den Weg zum Baum des Lebens bewachten."

Genesis 3,23-24

Man kann einen Garten nicht bloß an einer Seite bewachen, wenn es nicht zumindest auf den anderen Seiten einen Zaun, eine Grenze gibt. Fassen wir zusammen: Sowohl Park als auch Garten sind ursprünglich gekennzeichnet durch eine feste, befestigte Grenze. Die war bei den ersten Bauerngesellschaften der Jungsteinzeit auch bitter nötig. Schließlich rang der Mensch den bebauten Bereich seiner Felder und Gärten der wilden Natur ab. Gegen den Einfall wilder Tiere und feindlicher Menschen sicherten die Bauern ihn zunächst mit einer Hecke aus harten, vornehmlich stachligen Pflanzen: Die Hagebutte, der Hagedorn, die Hagel- oder Hainbuche tragen diesen Haag, diese Hecke heute noch im Namen. Ein Wesen, das diese fest gesicherte Grenze ohne weiteres überwinden und den Bauern dennoch schädigen konnte, das musste dann ein Hagedusios sein, ein Heckengeist. Unsere Hexe, unser Hexer kommen daher. Gegen die kamen dann bloß gute überirdische Mächte an - jahrtausendealte Vorstellungen, die später im Christentum aufgegangen sind. Dort haben sich folgerichtig in Jahrhunderten Kulturgeschichte spezielle Paradiese, spezielle Gärten entwickelt - und um die Kirchen: Die Kirchhöfe waren immer mit Mauern eingefriedet, daher der Name Friedhof. Frieden bedeutet eigentlich Grenze. Erst die Grenze erschafft dann den Frieden im herkömmlichen Sinn. Beschützt und geborgen im Burgfrieden, dem Hausfrieden des Gotteshauses, konnten die Toten nahe bei den Gräbern der Seligen und Heiligen und des Allerheiligsten liegen und kein böser Geist sollte sie in ihrer Totenruhe stören.

Münchner Waldfriedhof

So gesehen sind Friedhöfe von vornherein aufs engste verwandt mit weltlichen Gärten und Parks. Besonders deutlich wurden diese Beziehungen, als vor zweihundert Jahren die Friedhöfe der Städte aus hygienischen an die damaligen Stadtränder verlegt wurden. Auch dort gab es selbstverständlich wieder Friedhofsmauern. Aber es gab wieder mehr Platz für Blumen und Bäume und Wege zwischendurch und Bänke als Sitzgelegenheiten - all das, was halt auch Gärten und Parks ausmacht. Und viele Städter spazieren mittlerweile lieber durch einen schönen alten Friedhof, wos neben viel Grün eben auch noch was zu sehen gibt. München ist reich an solchen schönen alten Friedhofsanlagen. Der alte Nördliche und der Alte Südliche Friedhof sind berühmt wegen ihrer wunderbaren Grabmonumente. Aber auch der Münchner Waldfriedhof, auf dem nach wie vor bestattet wird, hat richtig Schule gemacht.

Die Entdeckung der Landschaft

Ein Park, lateinisch parricus ist eigentlich ein Gehege, ein Pferch, haben wir gesagt. Im Englischen, besonders auch im amerikanischen Englisch, ist diese ursprüngliche Wortbedeutung bis in unsere Zeit lebendig. Nur so konnte das Parking entwickeln, das Parken eines Autos auf einem Parkplatz. Der war nämlich auch ein Gehege, in dem Fall halt für Autos, und tatsächlich manchmal auch bewacht wie das Paradies vom Cherub. Insofern liegt schon auf der Hand, dass ein Park ohne Zaun, Mauer, Hecke - ohne eine zumindest markierte Grenze im eigentlichen Sinn keiner sein kann. Die alten Schlossparks der Barockzeit hatten immer Mauern. Jeder Bauerngarten braucht einen Zaun gegen das in der Nachbarschaft weidende Vieh. Die Klöstergärten, von denen die Bauerngärten in ihrer strengen Symmetrie abstammen, lagen selbstverständlich hinter hohen Klostermauern. Überhaupt die Symmetrie. Bis hinein in die Barockzeit galt der Hortus conclusus, der streng geometrisch gestaltete und abgeschlossene Garten als Gegenentwurf der Kultur zur wilden Natur draußen, die keine Grenzen kennt und keine geraden Linien und gerade deswegen als Bedrohung aufgefasst wird. Erst in der Renaissance beginnt der Mensch allmählich die Reize der Landschaft zu entdecken: Im 16. Jahrhundert erst entdecken die Renaissancemaler die Reize der Natur, zu der hinaus sie auf vielen Personenporträts ein Fenster öffnen. Allen voran die Maler der altbayerischen Donauschule, zu der auch der Passauer Wolf Huber gehört, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die ersten reinen Landschaftsbilder der Kunstgeschichte fertigt. In der Folge entwickelt sich zunächst in Italien die großen Renaissance- und Erlebnisgärten, die die strengen Symmetrien zumindest teilweise zugunsten natürlicherer Gestaltung aufgeben. Im 18. Jahrhundert entwickelt man dann in England den sogenannten abgesenkten Zaun einen Wall in einem Graben, auch Aha oder Ha-Ha. genannt. Aha oder Haha sagten die erstaunten Parkbesucher, die, obwohl es sich um einen geschützten Garten handelte, die Sicht hinaus in die freie Natur genossen, ohne dass eine Mauer den Blick behinderte. Im Nymphenburger Schlosspark, den der Münchner Hofgartenarchitekt Friedrich Ludwig von Sckell in einen englischen Garten umgebaut hat, existieren heute noch vier solcher Ahas, die den Park einbinden in die natürliche Landschaft. So lösten sich allmählich die Grenzen der Parks auf. Der Münchner Englische Garten geht heute praktisch nahtlos über in die Isarauen, die sich nördlich davon anschließen. Das Kunstprodukt Park läuft in eine Naturlandschaft aus. Da liegt es nahe, den Parkbegriff allmählich auch auf natürliche entstandene Landschaften auszudehnen. Auch diese Idee ist Anfang des 19. Jahrhunderts in England geboren.

Naturpark Westliche Wälder

Der erste der mittlerweile unzähligen National- und Naturparks der Welt war der Yosemite-National Park in den USA. Längst gibt es auch in Bayern stark geschützte Nationalparks und weniger geschützte, dafür weitläufigere Naturparks. Der einzige Park dieser Art im Regierungsbezirk Schwaben ist der Naturpark Augsburg Westliche Wälder.

Der Privatpark als Geschäftsmodell

Parks und Gärten sind im Prinzip das Gegenteil von Natur, auch wenn die Grenzen mittlerweile verschwimmen. Dass sie verschwimmen, daran ist, wie schon gesagt, die Aufklärung Schuld, unter anderem Jean Jaques Rousseaus berühmtes Zurück zur Natur. Durch den unmittelbaren Kontakt mit möglichst unberührter Natur sollte der Mensch an Leib und Seele genesen. Im 19. und 20. Jahrhundert, als rauchende Schlote und hässliche Industrieareale die Städte zu umzingeln begannen, nahm die Idee allmählich immer mehr Fahrt auf. Und so versuchte man die Natur in die Städte zu holen. Kaiser und Könige wetteiferten in Europa, wer denn seinem Volk den schönsten Park schenkte, wie es damals hieß. In einer kapitalistischen Republik wie den USA allerdings musste man erst lernen, dass Erholung wichtig ist und einen Wert an sich darstellt. Als sich Mitte des 19. Jahrhunderts die Bürger New Yorks ein Naherholungsgebiet, einen Park wünschten, war es nicht leicht, die Stadtväter von dem Nutzen zu überzeugen. Erst als sie unter Beweis stellten, dass er politisch nützlich ist, sich damit Geld verdienen lässt, neue Arbeitsplätze geschaffen werden und unter anderem die kulturelle Bedeutung der Stadt steigen wird, stimmten sie dem Central Park zu.

Schlosspark Dennenlohe

Geld verdienen mit einem Park - diese Idee ist also gar nicht so neu. In den letzten Jahrzehnten hat sie auch bei uns Furore gemacht, vor allem bei Erben von Schlössern und Burgen, die damit versuchen, Einnahmen für den Bauunterhalt zu generieren. Im mittelfränkischen Dennenlohe zum Beispiel, nicht weit vom Brombachsee, gibt es einen Schlossgarten, der zu normalen Zeiten Busladungen von Interessierten anzieht. Jetzt ist der verwinkelte Park wieder geöffnet. Angefangen hat er einmal als Hobby des Schlossherrn. Inzwischen aber ist der Rhododendrenpark im Schloss Dennenlohe zu einem Ausflugsziel für Menschen aus ganz Bayern und darüber hinaus geworden.

Das Biotop für Städter

Die Schwärmerei für die Natur kommt von der Unbewohnbarkeit der Städte meinte Bertolt Brecht, dem das modische Naturgedöns seiner Zeit inklusive Freikörperkultur, Reformernährung und biodynamischen Ideen, Vorstellungen, denen auch die Nazis heftig gefrönt hatten, manchmal auf den Geist gegangen ist. Es ist ja tatsächlich manchmal befremdlich, wenn Stadtbewohner bei Natur eigentlich bloß an wohlgeordnete Parklandschaften denken und dann glauben, draußen auf dem Land, solle es ähnlich beschützt und malerisch zugehen. Der Freizeitdruck der städtischen Zivilisation auf die freie Landschaft und damit die Forderung nach gepflegten Wegen, Wegweisern und andere Infrastruktur nimmt dauernd zu. Mittlerweile hat die Mehrzahl der Menschen längst das Bewusstsein dafür verloren, dass echte Naturlandschaften in Mitteleuropa seit vielen Jahrhunderten auf unzugängliche Bergregionen beschränkt sind. Und Bäuerliche Kulturlandschaft und Vorstellungen von romantischen englischen Parklandschaften passen halt nicht unbedingt zueinander. Und so mancher Landbewohner wünscht sich, die Städter blieben in ihren Biotopen. Der Stadtpark gehört dazu.


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