Ruhe und Ordnung Neue Ordnungshüter sollen Nürnberg sicherer machen
Für Ruhe im öffentlichen Raum ist in Nürnberg nicht nur die Polizei zuständig. Daneben gibt es noch die Sicherheitswacht und seit wenigen Monaten auch den Außendienst der Nürnberger Stadtverwaltung.
Ein Mittwochnachmittag, 16 Uhr. In der Polizeiinspektion Nürnberg Mitte am Jakobsplatz machen sich Anja und Matthias bereit für den gemeinsamen Streifendienst. Drei bis vier Stunden lang werden die beiden auf der Straße unterwegs sein.
"Bevor wir auf die Streife gehen, nehmen wir unseren Funk, unser Reizgasspray, Handschuhe, Desinfektionsmittel, unsere Erste-Hilfe-Tasche und unsere Fahrkarte mit, wenn wir sie brauchen. Dann haben wir Arbeitskleidung: eine Jacke, eine Käppi, die wir überwiegend im Sommer benutzen. Und eine Warnweste, gerade wenn es dunkel ist, dass wir einfach mehr gesehen werden."
Anja
"Wir gehen jetzt rein in die Fußgängerzone, ein bisschen nach dem Rechten schauen."
Matthias
Ehrenamtliche, die aussehen wie Polizisten
Anja und Matthias sind keine Polizisten, auch wenn sie fast genauso aussehen, ganz in blau und mit polizeiähnlichem Wappen auf der Jacke. Die beiden engagieren sich ehrenamtlich in der Sicherheitswacht der Polizeiinspektion Nürnberg Mitte. In bayerischen Großstädten haben Polizeidienststellen seit mehr als 20 Jahren ihre eigene Sicherheitswacht, sagt Nürnbergs Polizeidirektor Hermann Guth.
"Die Sicherheitswacht ist eine Einrichtung des Freistaates Bayern. 1994 hat man sich bereits dazu entschlossen, dass man Personen, die ehrenamtlich tätig sind, staatlich mit einstellt, um die Sicherheit im öffentlichen Raum zu gewährleisten. Und zwar nicht als Ersatz für die Polizei, sondern als Auge und Ohr für die Polizei um im öffentlichen Raum präsent zu sein. Die sind angegliedert bei den Polizeidienststellen und bekommen dann gezielte Aufträge wie zum Beispiel die Bestreifung im Bereich von Kinderspielplätzen und Parkanlagen um Sicherheitsstörungen festzustellen."
Hermann Guth, Nürnbergs Polizeidirektor
Die Sicherheitswacht kommt zum Beispiel zum Einsatz, wenn Hunde im Rosenaupark oder im Kontumazgarten ohne Leine herumlaufen. Wenn sich Anwohner über laut feiernde Jugendliche beschweren, wie es an der Wöhrder Wiese öfter mal vorkommt. Beim Verdacht auf bandenmäßig organisiertes Betteln in der Fußgängerzone. Oder bei Straßenkünstlern, die ohne Genehmigung in der Innenstadt Musik machen.
In der Breiten Gasse spielen mehrere harmlos aussehende Mädchen Gitarre und singen fröhlich. Als Anja von der Sicherheitswacht die Runde freundlich anspricht, sind die Jugendlichen zuerst verunsichert. Aber nur ganz kurz.
"Ich frage jetzt nach, ob sie eine Genehmigung haben, um an diesem Platz hier zu spielen und lasse sie mir zeigen. Ok. Alles wunderbar. Und somit wünsche ich noch einen schönen Tag und viel Spaß beim Weiterspielen."
Anja
Alles gut, die Teenies kichern erleichtert und singen gleich darauf weiter.
"Das war jetzt ganz typisch. Wir haben viele, die so reagieren. Und wenn man mit einem Lächeln schon entgegenkommt, kommt meistens auch ein Lächeln zurück."
Anja
Sicherheitswacht in Bayern: 980 Bürgerinnen und Bürger machen mit
Aktuell sind in den bayerischen Großstädten insgesamt knapp 980 Bürgerinnen und Bürger in der Sicherheitswacht aktiv, davon 135 allein in Mittelfranken. Darunter auch Anja und Matthias. Er ist 50 und arbeitet regulär am Nürnberger Flughafen bei der Luftsicherheit. Anja ist 30 und in der Altenpflege tätig. Beide wollen auf ihre Stadt mit aufpassen und haben vor Aufnahme ihres Dienstes eine vierwöchige Ausbildung bei der Polizei abgeschlossen.
"Ich bin jetzt das vierte Jahr bei der Sicherheitswacht, weil ich einfach präsent sein möchte und auch Ansprechpartner sein möchte für die Bürgerinnen und Bürger."
Anja
Bedürfnis nach Sicherheit wächst
Die bayerische Staatsregierung will die Zahl der Sicherheitswacht-Mitarbeiter bayernweit sukzessive auf 1.500 ausbauen. Um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen. Denn das Bedürfnis nach Sicherheit, sagt Polizeidirektor Hermann Guth, sei in der Gesellschaft innerhalb der letzten Jahre merklich gewachsen.
"Ich glaub, das sind Erscheinungsformen, die man auch bei Großveranstaltungen feststellt, Stichwort internationaler Terrorismus. Wir haben zwar keine konkrete Gefahr, trotzdem eine latent vorhandene Gefährdungssituation, so ist der Sprachgebrauch. Und dadurch, dass natürlich durch die sozialen Medien sehr schnell Ereignisse verbreitet werden, was natürlich dann auch das Sicherheitsgefühl beeinträchtigen kann. Also generell ist diese Entwicklung feststellbar bei der Bevölkerung und es ist für die Polizei aber auch für die Angehörigen der Sicherheitswacht ein sehr gutes Zeichen, dass die Bevölkerung diese Präsenz wahrnimmt und auch positiv deutet."
Hermann Guth, Nürnbergs Polizeidirektor
Kein Einsatz in Brennpunktvierteln
An manchen Tagen häufen sich die Vorfälle, gerade im Sommer, wenn es warm ist und viele Menschen draußen sind, erzählen Anja und Matthias, doch an diesem kalten Mittwochnachmittag verläuft ihr Einsatz sehr ruhig. In richtig brenzlige Situationen sind sie bisher noch nicht geraten. Dafür trägt ihre Dienststelle auch im Vorfeld Sorge: Brennpunkte wie das Rotlichtviertel oder die Königstorpassage am Hauptbahnhof, wo von vorn herein mit teils massivem Widerstand und Gefahr zu rechnen ist, gehören nicht zum Streifengebiet der Sicherheitswacht. Hier darf ausschließlich die Polizei unterwegs sein. Mögen sich die Befugnisse und Einsatzbereiche auch unterscheiden, rein optisch ähneln sich Polizei und Sicherheitswacht doch stark. Und das ist auch genau so gewollt, bestätigt Hermann Guth. Davon fühlt sich jedoch von den Passanten in der Innenstadt an diesem Nachmittag niemand irritiert.
Neue Ordnungshüter: der Außendienst Nürnberg
So wie die Sicherheitswacht als Auge und Ohr der Polizei fungiert, so spielt für die Nürnberger Stadtverwaltung der sogenannte ADN, der Außendienst Nürnberg, eine entsprechende Rolle. Die Mitarbeiter, die ebenfalls in blauer polizeiähnlicher Uniform die stadtrechtlichen Verordnungen und Satzungen mit durchsetzen sollen, sind erst seit Dezember 2018 auf den Straßen unterwegs, hätten jedoch bereits viel Gutes bewirken können, sagt ADN-Leiter Stefan Grötsch.
"Wir sind sehr gut von der Bevölkerung aufgenommen worden und haben festgestellt, dass es wirklich notwendig ist, dass Mitarbeiter der Stadt Nürnberg vor Ort sind. Unangeleinte Hunde waren im ersten Aufmarsch ein großes Thema. Weil das halt überhaupt nicht bekannt ist, dass in den Grünanlagen der Hund zu jeder Zeit - bis auf die gekennzeichneten Auslaufflächen - angeleint sein muss. Und wenn wir da auftauchen in den Parks, wir laufen standardmäßig in einem 2er-Team, dann sieht man schon, wie da die Hunde plötzlich angeleint werden, alleine durch das Auftreten, und wo dann andere Maßnahmen wie Drohen mit Verwarnungsgeld und Anzeigen von Ordnungswidrigkeiten, einfach überflüssig werden."
Stefan Grötsch, ADN-Leiter
Verstärkung gesucht für Außendienst Nürnberg
Zu Beginn bestand der Außendienst Nürnberg aus sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Stadt fest neu eingestellt hat. Im Dezember waren sie hauptsächlich in der Innenstadt während des Christkindlesmarkts unterwegs. Jetzt im April soll der Einsatzbereich auf das gesamte Stadtgebiet Nürnberg erweitert und das Personal auf 10 Leute aufgestockt werden. Rafael und Nina, beide 26, sind von Anfang an mit dabei.
"Wir fahren jetzt zum Aufseßplatz, da schauen wir mal nach Autos. Weil da ist eine Fußgängerzone und da fahren immer gern Autos rein obwohl sie nicht reinfahren dürfen."
Rafael
Angekommen am Aufseßplatz sieht alles tadellos aus. Kein Wunder. Hier wurde vorgearbeitet: Als wir aussteigen, winken Rafael und Nina zwei in blau gekleideten Frauen in Uniformen.
"Die KVÜ – die Kommunale Verkehrsüberwachung. Mit denen werden wir oft verwechselt."
Rafael
Auch wenn es heute sehr geordnet zugeht am Aufseßplatz, ist der Ort ein großer Brennpunkt, berichtet Nina.
"Sei es von den Jugendlichen, die sich hier treffen, um Alkohol zu trinken, oder die Autos, die ja teilweise mit 50 durch die Fußgängerzonen fahren, also das ist schon ein hartes Pflaster hier am Aufseßplatz."
Nina
"Ja oder die Drogenabhängigen, die regelmäßig hier auf der Toilette sind. Dann schauen wir mal."
Rafael
Wir gehen rein in die große öffentliche Toilette, treffen aber außer einer einzigen Dame niemanden an. Beim Rausgehen entdecken wir schließlich doch ein Auto, das in der Fußgängerzone parkt. Ein Mann sitzt darin und scheint auf jemanden zu warten. Rafael und Nina klären ihn darüber auf, dass es dafür eine Sondernutzung braucht und der Autofahrer ist verständig.
Voraussetzungen für den Dienst sind eine abgeschlossene (nicht zwangsläufig in der Sicherheitsbranche angesiedelte) Berufsausbildung, ein einwandfreies Führungszeugnis, Selbstbewusstsein und Respekt gegenüber jeglichen Schichten unserer Gesellschaft und eine zusätzliche Ausbildung zum ADN-Mitarbeiter. In enger Zusammenarbeit mit der Polizei hat die Stadtverwaltung den Außendienst entwickelt, um die Sicherheitsarchitektur Nürnbergs weiter zu ergänzen, erklärt Stefan Grötsch.
"Auch die Stadtverwaltung hat eine Sicherheitsbehörde und eigene Aufgaben. Und insbesondere wenn es um die Umsetzung der stadtrechtlichen Verordnungen geht, ist da in der Vergangenheit ein gewisses Defizit entstanden. Nach meinen Erfahrungen dadurch, dass die Polizei zunehmend auch mit zusätzlichen Aufgaben betraut wurde, zusätzliche Personalkräfte bei der Polizei gebunden werden, wo für die Umsetzung der stadtrechtlichen Vorschriften dann halt weniger Personal zur Verfügung stand. Und das versuchen wir mit dem ADN auszugleichen."
Stefan Grötsch, ADN-Leiter
Neue Ordnungshüter in ganz Bayern
Auch in anderen bayerischen Städten wie München, Augsburg und Fürth gibt es seit ein paar Jahren vergleichbare Einrichtungen wie den ADN. Angestellte wie Nina und Rafael sind nicht nur dazu da, um als verlängerter Arm der Stadtverwaltung Präsenz in der Öffentlichkeit zu zeigen, Ordnungswidrigkeiten festzustellen und gegebenenfalls Bußgelder oder Platzverweise zu erteilen, sondern sie dürfen Verstöße auch an die entsprechenden Dienststellen weiterleiten, selbstständig ermitteln oder von Behörden erteilte Aufträge durchführen.
"Bei uns darf zum Beispiel das Liegenschaftsamt sagen: da draußen stehen Werbeanhänger. Schaut die Euch mal an, schaut, ob die bewegt werden, dokumentiert das, liefert uns das und wir betreiben dann das Ordnungswidrigkeitenverfahren. Das dürfen wir."
Stefan Grötsch, ADN-Leiter
Autorität dank Uniform
Viel Autorität und Respekt verleiht den ADN-Arbeitskräften ihre blaue Uniform und die Schirmmütze. Dass sie - ebenso wie die Sicherheitswacht, oft mit der Polizei verwechselt werden, macht Rafael und Nina nichts aus. Viel wichtiger ist für sie, als gute Helfer erkannt zu werden, auf die man sich verlassen kann.
"In Kontakt mit Menschen zu treten und ihnen ein gewisses Sicherheitsgefühl zu unterbreiten, das ist mir wichtig. Und das wird uns auch immer wieder zurückgemeldet von den Leuten, dass uns gedankt wird dafür, dass wir draußen auf der Straße unterwegs sind und dass jemand da ist, der ein bisschen die Augen und die Ohren offen hat, aber auch in brenzligen Situationen, wenn denn mal was sein sollte, sagt: So nicht!"
Nina