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Ökonom zu griechischen Flüchtlingshilfen "Es gibt Vorwürfe der Korruption"

Die Situation an der türkisch-griechischen Grenze ist angespannt: Auf der einen Seite sind Migranten, die darauf hoffen, irgendwie in die EU zu gelangen. Auf der anderen Seite stehen griechische Sicherheitskräfte, die genau das verhindern wollen. Eine schwierige Situation für das Land, das ohnehin noch mit den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu kämpfen hat, sagt Ökonom Jens Bastian. Die Hilfsgelder müssten jetzt richtig eingesetzt werden.

Stand: 09.03.2020

Flüchtlinge gehen auf Lesbos an Land | Bild: picture Alliance/ZUMA Press

Wie sehr beschäftigt die Menschen in Athen, was da gerade an der Grenze zur Türkei passiert?

Sehr. Das ist Alltagsgespräch am Abendtisch. Denn zum einen sind das die Drohgebärden von Herrn Erdogan und auf der anderen Seite gibt es die wachsende Sorge: wie kann Griechenland aus eigener Kraft damit umgehen? Und auch, das Gefühl zu haben, dass man von Europa allein gelassen wird.

Die EU soll hunderte Millionen Euro an Unterstützung zahlen für den Schutz der griechischen Grenze. Aber wie war das bisher aus Ihrer Sicht: Haben die Griechen da ausreichend Geld bekommen von den EU-Partnern für die Versorgung der Vielen, die ja bisher schon angekommen sind?

Aus meiner Sicht fehlt es eigentlich weniger an Geld. Es muss auch gefragt werden: in welche Kanäle das, was in den vergangenen Jahren, seit 2015, an finanzieller Unterstützung für Flüchtlings- und Migrationsaufgaben nach Griechenland geflossen ist. Da gibt es auch Vorwürfe der Korruption und auch der Misswirtschaft. Jetzt ist zusätzliches Geld durchaus willkommen. Aber es muss auch sehr effektiv und nachprüfbar eingesetzt werden. Griechenland braucht diese europäische Solidarität, aber es muss auch mit diesem Geld umgehen können.

Wie kann man das gewährleisten, dass jetzt nicht wieder Geld an den falschen Stellen versickert?

Zum einen geht es darum, dass europäische Agenturen selber, wie zum Beispiel die Grenzschutzagentur Frontex, die ja schon in Griechenland ist, verstärkt tätig wird. Es wird dann auch um die Entsendung von Experten der EU-Asylagentur gehen. Und dass auch deutsche, französische und holländische Expertinnen und Experten im Asylrecht oder auch im Sprachunterricht tätig werden können. Und dann, wie gestern Abend die Bundesregierung beschlossen hat, dass man sich endlich auch darum kümmert, dass die Flüchtlingskinder, minderjährige Migranten, aus diesen Lagern wegkommen auf das Festland in Griechenland. Oder sogar nach Deutschland gebracht werden können.

Jetzt gab es ja in letzter Zeit eigentlich ganz gute Nachrichten, was die wirtschaftliche Lage in Griechenland angeht, die Erholung nach der Schuldenkrise. Kommt für die Athener Regierung dieses Thema Migration und Grenzschutz jetzt ein bisschen zur Unzeit?

Auf den ersten Blick: ja. Aber im Unterschied zu anderen Ländern in Europa ist die Flüchtlings- und Migrationsentwicklung in Griechenland eigentlich nie weggegangen. Sondern sie ist immer wieder davon abhängig, mit welchem Fuß, mit welchem Gefühl Herr Erdogan morgens aufsteht und dann Griechenland droht. Und in der Folge dann natürlich auch Europa verunsichert. Auf der anderen Seite: ja, es gibt gute Wirtschaftsnachrichten, aber die stehen auf dünnem Eis. Und es hängt auch immer wieder von regionalpolitischen Entwicklungen ab, wo man sehr schnell dann auch wieder das Gegenteil einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung entdecken kann.


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