Bayern genießen Prächtig – Bayern genießen im Dezember
Die Wörter Pracht und prächtig klingen nach beeindruckendem reichem Glanz, nach strotzendem Überfluss. Sie klingen nicht bloß so, sie bedeuten es auch. Wir machen Ihnen eine prachtvolle Genussschatzkiste auf.
Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Prächtig"
Oberbayern: Prächtig verborgen: Die Kirchseeoner Perchten und ihr Museum. Von Sarah Khosh-Amoz
Niederbayern: Seltene Pracht: Die Passauer Goldpomeranze. Von Birgit Fürst
Oberpfalz: Himmlische Pracht: Der Sternhimmel über der Oberpfalz. Von Thomas Muggenthaler
Oberfranken: Wiederentdeckte Pracht: Prächtige Geschenke fürs Museum. Von Susanne Roßbach
Mittelfranken: Prächtige Schrift: Die Schwabacher Fraktur. Von Barbara Bogen
Unterfranken: Adventspracht: Ein festlich gedeckter Tisch. Von Christiane Scherm
Schwaben: Prächtige Farben: Die Glasmalereien des Augsburger Doms. Von Doris Bimmer
Bayerische Sternwarte Neumarkt/Oberpfalz
Wenn es draußen finster wird und kalt, kommen die Menschen schon seit Jahrtausenden dort zusammen, wo die lichte Flamme die Schatten und den Frost gleichermaßen vertreibt. Wir alle wissen aber: Licht gibt es nicht ohne Finsternis; sie sind gewissermaßen zwei Seiten einer Medaille. Schon unsere Vorfahren haben das so gesehen, wenn sie die Mondgöttin angeschaut haben. Frau Luna wird seit der Antike immer mit einem großen Schleier dargestellt: Bei Neumond verbirgt sie sich dahinter, bei Vollmond ist der Schleier geöffnet und sie erstrahlt in großer Pracht. Bergen, verbergen und prächtig - die beiden Wörter gehen auf den gleichen Wortstamm zurück. Die jahrtausendealte Wortwurzel ber- bezeichnet alles Hohe, Erhabene. Ein Berg ist natürlich hoch - aber wahrlich erhaben sind Luna, die Königin des Himmels und dazu ihre göttlichen Geschwister, die Sterne. Wer wahre, unvergängliche Pracht sehen will, der muss nur in den Himmel schauen, wie das schon unsere steinzeitlichen Vorfahren gemacht haben. Zum Beispiel in der Bayerischen Sternwarte von Neumarkt in der Oberpfalz: Wer in den ewigen Himmel schaut, für den relativieren sich die irdisch-zeitlichen Sorgen. Ein dauerhafter Genuss.
Perchten
Es ist kein Zufall, dass strahlend, prächtig im Englischen bright, geschrieben bright heißt. Noch heute gilt eine heilige Brigida als eine der wichtigsten Schutzheiligen Irlands, früher war sie als erhaben strahlende Mondgöttin natürlich auch für das irdische Herdfeuer zuständig. Bis ins Mittelalter ist ihr zu Ehren im irischen Kildare ein ewiges Feuer unterhalten worden. Feuer war ja eine der kostbarsten Errungenschaften der Menschheit und nur sehr schwer herzustellen. Diese Brigida kannten selbstverständlich auch unsere keltischen Vorfahren, die vor zweieinhalb, dreitausend Jahren im Land zwischen Alpen und Main lebten. Bei ihnen hieß die prächtige Mondgöttin vermutlich Bricht, Brecht oder Percht. Wenn sie sich bei Neumond verbirgt, und zur Göttin des Todes und der Unterwelt wird, dann treten aus der Tiefe die sonst verborgenen Schatten, die Perchten und veranstalten im Wortsinn ein Heidenspektakel. Denn prächtiger Lärm gehört zur winterlichen Festesfreude. Selbstverständlich war den Menschen zu allen Zeiten bewusst, dass es sich tatsächlich nur um ein Maskentreiben handelt. Aber Geister und Maskerade haben im Abendland durch alle Jahrhunderte und Kulturen Konjunktur gehabt. Den ganzen Winter hindurch. Vom Allerheiligenabend, dem All Hallow Evening, Halloween über Krampus, Klaubauf, Perchten, die italienische Hexe Befana bis hin zum Fasching. In Kirchseeon im Landkreis Ebersberg hat man sich in der Nachkriegszeit besonders um das vorweihnachtliche Maskentreiben gekümmert. Wobei: Larve ist das alte südliche Wort für Maske. Heute kennt man das Wort nur noch im Zusammenhang etwa mit der Schmetterlingslarve. Die Larve ist die schöne oder hässliche Oberfläche, die die wahre Gestalt dahinter verbirgt. Dass die Kirchseeoner Perchten relativ jungen Ursprungs sind, sieht man schon daran, dass sie zu ihren Larven neudeutsch Masken sagen und ihnen ein Maskeum genanntes Museum gebaut haben. Was der Faszination aber keinen Abbruch tun soll. Im Oktober hat es eröffnet.
Geschenkte Pracht
Prächtig und verbergen das sind die zwei Seiten der gleichen Medaille. Die Panzerreiter des Königs Kyros zum Beispiel wurden von ihren griechischen Gegnern wegen ihrer prächtig glänzenden und gleichzeitig bergenden Rüstungen Perser genannt. Doch alle Pracht hat nichts geholfen. Alexander der Große hat schließlich die Keilerei bei Issos gewonnen. Also, wie gesagt, prächtig und ver- oder geborgen gehören unbedingt zusammen. So gesehen gibt es kaum eine Einrichtung, die diese zwei Bedeutungen besser zusammenbringt als ein Museum. Das Museum birgt allerhand Schätze und stellt sie in prächtigen Schausammlungen aus. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Der Großteil der Museumssammlungen bleibt dauerhaft geborgen im Depot. Das gilt ganz besonders auch für Geschenke, die öffentliche Einrichtungen und eben auch Museen immer wieder erhalten. Im Historischen Museum der Stadt Bamberg wird derzeit solche geschenkte Pracht ausgestellt. Stücke aus Erbschaften ebenso wie Dachbodenfunde, die großzügige Menschen dem Museum geschenkt haben.
Die Prophetenfenster im Augsburger Dom
Pfingsten sind die Geschenke am geringsten, während Ostern, Geburtstag und Weihnachten etwas einbrachten ... hat Bertolt Brecht geschrieben. Tatsächlich haben auch das Wort bringen und sein Partizip Perfekt gebracht was mit der Pracht zu tun. Die steinzeitliche Wortwurzel ber- kennzeichnet eben nicht nur alles, was hoch, erhaben ist, sondern auch die Tätigkeit dazu, das Heben, das Halten, das Tragen, das Bringen. Wenn ein Baum oder Strauch Frucht trägt, dann ist er frucht-bar oder auch ess-bar. Wenn etwas, im wahren Sinn des Wortes, offensichtlich ist, ist es offenbar sicht-bar. Erst jetzt ist es so recht anwesend, kann gesehen werden, trägt also ein Ge-sicht. Dazu wiederum bedarf es des Lichtes. Ohne Licht ist alles verborgen, strahlt das Licht aber, ist alles prächtig. Klingt einleuchtend. Aber das Licht ist bis heute ein großes Geheimnis. Es wird erst sichtbar, wenn es auf reflektierende Gegenstände trifft. Deswegen ist der Weltraum schwarz obwohl das Licht der Sonne überall ist. Erst wenn sich etwas dem Licht entgegenstellt, ein Gegenstand wie der Mond oder die Planeten, wird es an dessen Oberfläche sichtbar. Auch unsere irdische Welt wäre schwarz, wären da nicht die Atmosphäre und die anderen Gegenstände der Welt, die das Licht zum Strahlen bringen. Wir machen uns dieses offensichtliche Wunder nur in den seltensten Fällen bewusst. Da waren unsere Vorfahren schon mal weiter. In früheren Zeiten war Licht nicht so trivial verfügbar wie heute. Da war es eine Kostbarkeit, die es entsprechend wertzuschätzen galt. Zum Beispiel in geschlossenen Räumen, wo durch die bergenden Mauern das göttliche Licht ausgesperrt würde - wenn es keine Fenster gäb. Deren Licht durch buntglänzendes Glas gefasst wird, wie funkelnder Edelstein. Die dazugehörenden Techniken hat man bereits in der Antike entwickelt, in Persien und Rom. Reste davon gibt's noch. Die ältesten komplett erhaltenen Glasmalereifenster der Welt aber birgt der Augsburger Dom.
Schwabacher Fraktur
Weil wir grad bei den Propheten waren: Griechisch prophetes heißt wörtlich Vor-Sager, Vorhersager. Der Prophet ist der Orakelpriester, der zum Beispiel anhand von himmlischen Erscheinungen wie der wandelbaren Frau Luna, von der sich unser Wort launisch ableitet, die künftigen Geschicke ergründet. Der Weissager, ja tatsächlich, weiß etwas und sagt es dann. Er weist den Weg mit Weisheit. Im weißen Schein des klaren Lichts, wird jeder Weg deutlich. Wissen, Witz, weise, weiß all das hängt miteinander zusammen. Die Weissager sind auch die Erfinder der Schrift, mit deren Hilfe einmal getroffene Weissagungen dauerhaft verfügbar gemacht werden konnten. Deswegen gelten die ältesten Bücher der Menschheit überall als heilig, weil in ihnen, so glaubte man, die allzeit gültige gottgegebene prophetische Weisheit versammelt ist. Und bald schon konnten die Menschen von diesem mit Hilfe von Hieroglyphen, heiligen Zeichen, zustandegekommenen Wissenswunder nicht mehr genug kriegen. Schnell wurden aus einer Heiligen Schrift heilige Schriften, die bald auch durch und durch weltliche Anweisungen gaben und profanes Wissen transportierten. Aber noch das erste nicht mehr mit der Hand geschriebene, sondern mit Hilfe von Bleilettern gedruckte Buch war selbstverständlich eine Bibel. Gutenberg formte die Schrifttypen dazu ab 1450 nach der Vorlage zeitgenössischer Handschriften. Aber schon wenige Jahre später lösten sich die Bleibuchstaben davon und gewannen ein Eigenleben. Die erste dieser echten eigenständigen Buchschriften heißt nach einer kleinen Stadt in Mittelfranken: Schwabacher. Ihr folgten zahlreiche weitere Frakturschriften nach. Prächtig sind sie alle - in beiderlei Sinn des Wortes: Mit ihrer Hilfe sind die glänzendsten Erzeugnisse der Buchgeschichte zustandegekommen. Und gleichzeitig, welch ein Jammer, wächst die Zahl der Menschen unaufhörlich, für die der Inhalt dieser Werke auf ewig dunkel bleibt, weil sie selbst die simpelste deutsche Fraktur nicht mehr lesen können. Höchste Zeit, sich ein bisserl damit zu befassen.
Wahre Pracht am Adventstisch
Pracht ist das große Thema der Advents- und Weihnachtszeit: Das unbegreiflich Dunkle und ungreifbar Verborgene, eine geheime Qualität, die buchstäblich ans Licht ge‑bracht, greifbar wird. Auch Gebären hängt mit dieser baren Pracht zusammen. Das bisher verborgene Leben, das sich im geheimen Dunkel abgespielt hat, wird sichtbar. Ein Wunder, das stellvertretend für das ganze Wunder des Lebens an Weihnachten gefeiert wird. Nur Bares ist Wahres. Jeder weiß: Erst durch den Glanz von Gold und Silber werden Tauschmittel tatsächlich zu Bar-Geld, offensichtlichem Geld. Alles andere tut nur so als ob, ist, wenn man so will, falsche Pracht, Talmi. Talmi wurde von dem Pariser Fabrikanten Tallois hergestellt: Tallois-demi-or, Falschgold des Talloi, verballhornt Talmi. Ja auch das hat jetzt Konjunktur, weil es halt immer schwieriger scheint, Echtes von Falschem zu unterscheiden. Grad in dieser Zeit. Überall glitzert und blinkt es. Dabei wärs doch so einfach. Wahre Pracht kostet nicht mal echtes Gold oder jedenfalls nicht viel. Wahre Pracht, zum Beispiel für die Weihnachtstafel, findet sich überall - vor der eigenen Haustür, im Garten oder im Wald.
Die Passauer Goldpomeranze
Selbstverständlich gehört auch der Knecht Ru-precht in die Wortverwandtschaft der zwiespältig helldunklen, baren Pracht. Kein Zweifel: Ein finsterer Gesell, eine wahrlich rauhe, rohe Percht der Unterwelt. In der Unterwelt, unterirdisch, locken alle irdischen Schätze, bevor sie bar werden, offenbar, sichtbar. Das wussten schon die ersten steinzeitlichen Landwirte, die in der Zeit der Wintersonnwende darauf warteten, dass das steigende Licht die Pflanzen aus ihrem unterirdischen Todesschlaf erweckt, damit sie im kommenden Sommer und Herbst reiche Frucht bringen. Der vergrabene Schatz hat einen uralten mythischen Kern. Und genau deswegen braucht der legendäre Kinderfreund, der Heilige Nikolaus, als Begleiter den Knecht Ruprecht, damit dieser mit seinem Sack aus der Unterwelt die Schätze mitbringt, die es zu verteilen gilt. Nur das Beste versteht sich. In Zeiten vor zweifelhaftem Kinderspielzeugtalmi aller Art aus China waren das vorzüglich Äpfel, Nuss und Mandelkern Doch derlei einstmals Rar-Exotisches ist zu billiger, stets verfügbarer Massenproduktion verkommen und scheint niemand mehr hinter dem Ofen hervorzulocken. Außer, ja außer man schaut über den supermärktlichen Tellerrand hinaus und entdeckt zum Beispiel Passauer Goldpomeranzen. Eine wahrlich prächtige Frucht, die nur den allerbesten Ruprechten aus dem Sack quillt. Kaufen kann man diese einzig winterharte Pomeranzensorte nicht, aber selber anbauen. Vorausgesetzt, sie können schon Früchte ernten: Vielleicht probieren Sie einmal eine Historische Pomeranzentorte oder ein kostbar-prächtiges Pomeranzen-Eis?!
Zum Schluss
Brigida, Perchta, die verborgen Prächtige, das war der keltische Name der wechselhaften Mondgöttin. Auch die Germanen nördlich der Maingrenze, wenn man so will die Preußen der Antike, kannten sie selbstverständlich. Allerdings unter dem germanischen Namen Frau Holle. Bei Vollmond strahlt Frau Holle hell. Und bei Neumond verhüllt sich die Göttin mit ihrem Schleier. Sie weilt in der Unterwelt, ja genau, in der Hölle oder Höhle als holde Herrin der Toten und Hehlerin aller unterirdischen Schätze. Die liegen einstweilen noch im Dunkel. Aber wenn der Mond und das Jahr wechseln, kommen sie ans Licht, werden offenbar, sichtbar und erstrahlen in goldenem Glanz. Die hellste Pracht in tiefster Nacht: Weihnachten.