Bayern 2

     

hör!spiel!art.mix Peter Weiss: Abschied von den Eltern (4/4)

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Freitag, 30.06.2017
21:05 bis 22:30 Uhr

BAYERN 2

Abschied von den Eltern (4/4)
Von Peter Weiss
Mit Robert Stadlober
Komposition: The Notwist
Regie: Karl Bruckmaier
BR 2013
Als Podcast verfügbar im Hörspiel Pool

Peter Weiss neu entdecken
Arnd Beise (Literaturwissenschaftler) im Gespräch mit Thomas Kretschmer
BR 2007
Als Podcast verfügbar im Hörspiel Pool

Der Tod der Eltern wird für den Erzähler in Peter Weiss’ autobiografischer Prosa Auslöser zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich. Abschied von den Eltern, erstmals 1961 erschienen, handelt von dem Zauber und den Abgründen der Kindheit, von den schmerzhaften Prozessen des Wachsens, der unausweichlichen Loslösung von Vater und Mutter, der Suche nach einem eigenen Leben. Sprunghaft und dennoch kunstvoll gewebt, mit einer gleichermaßen soghaften wie präzisen Sprache breitet Weiss ein Netz aus Momentaufnahmen aus und entwirft eine Ausdeutung seiner Vergangenheit, die in seine Entwicklung zum Künstler mündet. Der Erzähler berichtet von der frühen Kindheit und den ersten prägenden Eindrücken seiner Heimatstadt, schildert die sublimen Machtspiele unter Kindern und seine ersten sexuellen Erfahrungen. Er berichtet von Friederle, dem Nachbarsjungen, der ihn beständig drangsaliert und darüber, wie ausgeschlossen er sich nicht nur gegenüber Gleichaltrigen, sondern auch innerhalb seiner Familie fühlt. Die Beziehungslosigkeit der autoritären Eltern und ihre unantastbare Dominanz erzeugen für ihn den Eindruck als Fremder unter Fremden zu leben und den
Wunsch nach Wärme und Zugehörigkeit. Als die geliebte Schwester Margit stirbt, beginnt für ihn die allmähliche Auflösung seiner Familie, die begleitet wird durch die Flucht vor den Nationalsozialisten ins schwedische Exil über London und Prag. Schließlich führt die Möglichkeit, eigene Ausdrucksformen in Malerei und Literatur zu finden, zu freiheitlicher Selbstbestimmung und innerer Unabhängigkeit.

Peter Weiss, geb. 1916 in Nowawes (heute Potsdam). Sohn eines jüdische Textilfabrikanten ungarischer Herkunft und einer deutschen Schauspielerin. Deutsch-schwedischer Schriftsteller, Maler, Filmemacher und Illustrator. 1934 Tod der Schwester Margit und Emigration über London nach Prag. Studium
der Malerei an der Prager Kunstakademie. 1938 Aussiedlung über die Schweiz ins Exil nach Schweden. Durch intensiven Briefwechsel mit seinem Idol Hermann Hesse Bestärkung zur künstlerischen Arbeit. In den 30er-40er Jahren vorrangig Beschäftigung mit expressionistischer Malerei. Ab den 50er
Jahren erste kleinere Erfolge als Experimentalfilmer. 1960 Durchbruch mit Der Schatten des Körpers des Kutschers und Aufnahme in die Künstlerverbindung Gruppe 47. Auf die surrealistische Prosa folgen politische Werke analytisch-dokumentarischen Charakters. Zentral ist dabei die vergangenheitspolitische Aufarbeitung Europas in der Kunst. Weiss propagiert, Kunst und Leben nicht zu trennen. 1982, im Jahr seines Todes, sollte Weiss mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt werden, er erhält die Auszeichnung posthum. Werke u.a. "Dokument I/Der Vogelfreie. Erzählung" (1949), "Abschied von den Eltern. Erzählung" (1961), "Fluchtpunkt. Roman" (1962), "Die Ästhetik des Widerstands" (3 Bände; 1975, 1978, 1981), "Die Versicherung" (1971), "Hölderlin. Stück in 2 Akten" (1971). Hörspiele u.a. "Die Ermittlung" (ARD/DRS 1965), "Die Ästhetik des Widerstands" (BR/WDR 2007), "Der Schatten des Körpers des Kutschers" (BR 2009).