Hörspiel Die Quellen sprechen (9/16)
Samstag, 23.05.2015
15:05
bis 17:00 Uhr
BAYERN 2
Die Quellen sprechen
Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945
Eine dokumentarische Höredition
Teil 9: Polen: Generalgouvernement August 1941-1945
Mit Wiebke Puls, Matthias Brandt und den Zeitzeugen Helene Habermann, Pavel Kohn, Zelig Rosenblum, Margit Siebner und Henry Rotmensch
Bearbeitung: Klaus-Peter Friedrich
Manuskript: Angelika Königseder
Regie: Ulrich Lampen
BR Hörspiel und Medienkunst in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte/Edition "Judenverfolgung 1933-1945", 2015
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Als Podcast verfügbar im Hörspiel Pool
Im Oktober 1939 war Polen zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt worden. Die westlichen Provinzen wurden dem Deutschen Reich zugeschlagen. Das restliche deutsch besetzte Areal wurde zum Generalgouvernement erklärt. Mit dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 erweiterte sich das Gebiet des Generalgouvernements noch einmal und es wurde zentraler Tatort des Holocaust. Hier lebten etwa 2,3 Millionen Juden, die seit Kriegsbeginn von den Deutschen sehr rasch entrechtet, enteignet und weitgehend isoliert wurden. Obwohl die Massenmorde in Polen später einsetzten als etwa im Gebiet der Sowjetunion, ging hier die deutsche Verwaltung gegen die Juden besonders erbarmungslos vor, im Vergleich auch erheblich gewalttätiger als beispielsweise gegen die Juden im besetzten Mittel- und Westeuropa. Bereits von Oktober 1939 an waren Gettos eingerichtet worden. Sie waren schnell überfüllt, die Bewohner litten unter Hunger, Kälte, Gewalt und fehlender medizinischer Versorgung. Schon hier begann das Massensterben. Die Jüdischen Räte sowie soziale Selbsthilfe und private Initiativen versuchten das Leiden in den Gettos zu mindern, meist vergeblich. Die von den Besatzern selbst geschaffenen katastrophalen Zustände in den Gettos, vor allem die Seuchengefahr, wurden zum Argument für weitere, massivere Maßnahmen. Als den Besatzungsfunktionären im Generalgouvernement zudem klar wurde, dass eine Deportation der Juden aus dem eigenen Herrschaftsgebiet in die besetzten sowjetischen Gebiete nicht möglich sein würde, und außerdem Judentransporte aus dem Deutschen Reich und den westlichen Besatzungsgebieten einsetzten, wurden unter dem Titel "Aktion Reinhard" stationäre Vernichtungslager errichtet. Ab März 1942 wurden in den Lagern von Belzec, Sobibor und Treblinka, später auch Auschwitz, Juden vergast. Zwischen Juli und September 1942 erreichten die Massenmorde ihren Höhepunkt. Im Juli 1943 galt die "Endlösung" im Generalgouvernement aus Sicht der deutschen Behörden als weitgehend abgeschlossen, was letzte Ermordungen Überlebender kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee nicht verhinderte. In den Gaskammern der Vernichtungslager wurden bis Herbst 1943 fast sämtliche Bewohner der Gettos im Generalgouvernement sowie abertausende Juden aus dem übrigen Europa ermordet. Fast zwei Millionen Menschen fielen in diesem Zeitraum dem Holocaust zum Opfer.
Teil 9 der Höredition dokumentiert das Abwägen der Deutschen zwischen Ausbeutung der Juden als Arbeitskräfte und ihrer Ermordung und die Mithilfe einheimischer Instanzen. In den Quellen vermitteln sich die unmenschlichen Zustände in den Gettos und die allmähliche Erkenntnis der Juden und der nichtjüdischen Beobachter über Art und Ausmaß der Vernichtung. Die Texte dokumentieren Gewaltszenarien bei der Auflösung von Gettos oder bei dortigen Aufständen und enthalten Berichte und Beobachtungen aus den Vernichtungslagern. Im Appell der polnischen Exilregierung an die Alliierten oder in der Selbstmordbegründung eines jüdischen Delegierten der polnischen Exilregierung manifestiert sich der Vorwurf internationaler Tatenlosigkeit gegenüber dem Massenmord an den Juden.