Bayern 2

     

Bayerisches Feuilleton Das Passionsspiel

Die komplette Sendung hören

Samstag, 09.05.2020
08:05 bis 09:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Bayerische Passionen
Das Passionsspiel
Von Christoph Leibold

Wiederholung am Sonntag, 20.05 Uhr, Bayern 2
Als Podcast verfügbar

Passionsspiele verbreiteten sich einst fast so epidemisch wie die Pest. Gut vierzig Passionsspielorte im bayerisch-österreichischen Raum sind für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts belegt, für die Jahre 1650 bis 1800 wuchs die Zahl gar auf 250. Am bekanntesten: die Passion von Oberammergau, die auf ein Pestgelübde von 1633 zurückgeht. Damals wütete der schwarze Tod im Ammertal. Die Dorfbewohner gelobten, alle zehn Jahre die Leidensgeschichte Jesu‘ auf die Bühne zu bringen, wenn das Sterben ein Ende nähme. Der Überlieferung nach gab es nach diesem Gelübde keinen einzigen Toten mehr im Ort. Bis heute halten sich die Oberammergauer an ihr Versprechen - ab Mai 2020 sollte wieder Passion gespielt werden, über 100-mal bis tief in den Herbst hinein.

Doch es kam anders - die Corona-Pandemie durchkreuzte ihren Plan und nötigte sie, das Spiel auf das Jahr 2022 zu verlegen. Solche Verschiebungen gab es immer wieder mal, Komplettausfälle dagegen so gut wie nie. Das macht Oberammergau so besonders: dass die Tradition nie gänzlich abriss, trotz Aufklärung und Säkularisation.

Auch in Erl in Tirol wurde schon im 17. Jahrhundert Passion gespielt, hier klaffen in der Chronologie aber einige Lücken. Im unterfränkischen Sömmersdorf wurde der Grundstein erst im Heiligen Jahr 1933 gelegt, in Tirschenreuth sogar erst 1997.

Ursprünglich waren Passionsspiele ein Propaganda-Instrument der Gegenreformation und Ausdruck der Volksfrömmigkeit. Die im Alpenraum verbreitete Volksschauspiellust tat ihr Übriges, die Lust am Leiden zu entfachen. Aber woher rührt die Passion für die Passionen heute, in gänzlich verweltlichten Zeiten? Wieso spielt man heute Passion - noch immer oder sogar erst seit Kurzem?

Christoph Leibold hat nach Antworten gesucht. Monatelang hat er die passionierten Theatermacher in Oberammergau begleitet. Im geplanten Psychogramm einer Leidenschaft steckt nun auch die Chronik einer Leidensgeschichte, die nicht nur Oberammergau trifft: Tirschenreut hätte seine Passion 2020 ebenfalls aufführen wollen und musste die Proben wegen Corona kurz vor der Premiere abbrechen.

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

Das Bayerische Feuilleton erzählt keine Geschichten, die schon 100 Mal erzählt wurden. Alle Spielarten von Geschichte hinter den Geschichten sind möglich. Wir nutzen die Chance für Spott, Scherz, Satire und Ironie. Uns interessieren Themen, in denen sich reale Ortschaften mit Literatur und Kunst verbinden. Wir schätzen Originale in der schönen neuen Medienwelt der "Unauffälligen". Wir bieten radiophone Geschichten mit Gedankenstoff und Spielraum für Gefühle. Als journalistisches Genre hat das Bayerische Feuilleton eine anspruchsvolle Tradition.