Bayern 2

     

Bayerisches Feuilleton Der Scharfrichter

Scharfrichter Johann Reichhart | Bild: picture-alliance/dpa/report/UPI

Samstag, 04.07.2020
08:05 bis 09:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Bayerische Berufungen und Instanzen
Der Scharfrichter
Von Bernhard Setzwein

Wiederholung am Sonntag, 20.05 Uhr, Bayern 2
Als Podcast verfügbar

Seit über 150 Jahren, wenn es auf dem Münchner Oktoberfest heißt "Auf geht's beim Schichtl", vollzieht "Ringo, der Schreckliche" eine grausame Prozedur: Mittels einer Guillotine enthauptet er Freiwillige aus dem Publikum. So wird eine Gestalt dem schenkelklopfenden Gaudium preisgegeben, die jahrhundertelang die Menschen in Angst und Schrecken versetzte: der Scharfrichter. Auch in Sketchen Karl Valentins treibt er sein Unwesen, etwa in der Szene "Die Schlamperei". Ausgerechnet am Todestag des Komikers, dem 9. Februar 1948, wurde vor der Münchner "Spruchkammer IV" Johann Reichart, dem letzten Scharfrichter Bayerns, für seine Rolle in der NS-Zeit der Prozess gemacht. Er kam auf die monströse Zahl von 3165 Hinrichtungen. Am Ende seines Lebens war er ein gebrochener Mann.

Ohne Zweifel eine Institution also, der Scharfrichter, aber wohl nicht immer eine Berufung: Der Henker galt als unreine Person und mußte außerhalb der Stadtmauern leben. Schicksalshaft vererbte sich das Amt von Generation zu Generation. Über solche Familienbande hat sich Bernhard Setzwein für sein "Bayerisches Feuilleton" mit Oliver Pötzsch unterhalten, Nachkomme aus der Schongauer Henkers-Dynastie der Kuisls und Autor einer erfolgreichen Krimi-Serie mit einer mittelalterlichen Henkerstochter als Heldin. Er weiß um die Faszination, die von diesem schrecklichen Handwerk ausgeht. Damit spielten auch jene "Elf Scharfrichter", die 1901 in Schwabing eines der ersten deutschen Kabaretts etablierten. Ihr Erbe wird noch immer fortgesetzt im "Passauer Scharfrichterhaus", dessen Gründer Walter Landshut ebenfalls in der Sendung zu Wort kommt.

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

Das Bayerische Feuilleton erzählt keine Geschichten, die schon 100 Mal erzählt wurden. Alle Spielarten von Geschichte hinter den Geschichten sind möglich. Wir nutzen die Chance für Spott, Scherz, Satire und Ironie. Uns interessieren Themen, in denen sich reale Ortschaften mit Literatur und Kunst verbinden. Wir schätzen Originale in der schönen neuen Medienwelt der "Unauffälligen". Wir bieten radiophone Geschichten mit Gedankenstoff und Spielraum für Gefühle. Als journalistisches Genre hat das Bayerische Feuilleton eine anspruchsvolle Tradition.