Hörspiel "Die Quellen sprechen" (4/16)
Samstag, 16.02.2013
15:05
bis 17:00 Uhr
BAYERN 2
"Die Quellen sprechen" (4/16)
Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945
Eine dokumentarische Höredition
Teil 4: Polen September 1939–Juli 1941
Mit Bibiana Beglau, Matthias Brandt, Ulrich Gerhardt und den Zeitzeugen Bea Green, Helga Verleger, Natan Grossmann, Marcel Reich-Ranicki und Salo Wolf
Bearbeitung: Klaus-Peter Friedrich
Mitarbeit: Andrea Löw
Skript/Höredition: Michael Farin
Regie: Ulrich Gerhardt
BR Hörspiel und Medienkunst in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte / Edition "Judenverfolgung 1933–1945", 2013 Ursendung
Als Podcast verfügbar
Nirgendwo in Europa lebten so viele Juden wie in Polen; an die zwei Millionen von ihnen fielen nach dem Einmarsch der Wehrmacht am 1. September 1939 unter deutsche Herrschaft. Fünf Jahre später lebten nur noch 10 Prozent von ihnen.
Der vierte Teil konzentriert sich auf die antijüdische Politik der Deutschen in den besetzten polnischen Gebieten vom Kriegsbeginn 1939 bis zum Einmarsch in die Sowjetunion im Sommer 1941. Die Quellen berichten von den Umsiedlungs- und Deportationsvorhaben, der aggressiven Propaganda und den erweiterten, kriegsbedingten Freiräumen der Machthaber; sie dokumentieren die Verzweiflung der polnischen Juden, die ambivalente Rolle der Judenräte und die Zustände in den überfüllten Ghettos.
Einen Tag vor dem Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts hatte Hitler am 22. August 1939 auf dem Obersalzberg seinen Generälen gegenüber verkündet: „Vernichtung Polens im Vordergrund. Ziel ist die Beseitigung der lebendigen Kräfte, nicht die Erreichung einer bestimmten Linie. [...] Herz verschließen gegen Mitleid. Brutales Vorgehen. 80 Millionen Menschen müssen ihr Recht bekommen.“
Nachdem sich im Oktober 1939 die letzten polnischen Truppen ergeben hatten, wurde Polen zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt. Die westlichen Provinzen wurden dem Deutschen Reich zugeschlagen. Das restliche besetzte Areal, das „Generalgouvernement“, sollte als Reservoir billiger Arbeitskräfte dienen, in das man „unerwünschte Elemente“ abschieben konnte. Dort lebten 12 Millionen Menschen, darunter etwa 1,5 Millionen Juden.
In Polen zögerten die Besatzer nicht lange mit der Anordnung, die im Reich erst im September 1941 eingeführt wurde: die Kennzeichnung der jüdischen Bevölkerung. Die Bildung der ersten Ghettos wurde noch Ende 1939 befohlen. Im Warschauer Ghetto drängten sich ungefähr 445.000 Menschen auf vier Quadratkilometern zusammen. Etwa ein Viertel der Bewohner verhungerte oder starb an Typhus, Tuberkulose oder Schwindsucht. Das Massensterben begann bereits lange vor dem Einmarsch der Erschießungskommandos nach Ostpolen und dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941.