Bayern 2

     

radioWissen Groschenhefte und schräge Lyrik

Groschenhefte in einem Regal | Bild: picture alliance / CHROMORANGE | Viennaslide

Dienstag, 16.05.2023
09:05 bis 10:00 Uhr

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BAYERN 2

Groschenhefte
Trivialer Schund in Serie

Friederike Kempner
Schlesische Meisterin der unfreiwilligen Komik

Das Kalenderblatt
16.5.1975
Junko Tabei erreicht als erste Frau den Mount Everest
Von Isabella Arcucci

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Groschenhefte - trivialer Schund in Serie
Autor und Regie: Frank Halbach
Groschenhefte - seit über einem Jahrhundert finden sie begeisterte Leser in Form von Schicksals-, Heimat-, Kriminal-, Science-Fiction-, Fantasy-, Horror- und Wildwestromanen. Genau so lang wurden diese Heftromane von besorgten Pädagogen und wütenden Zensurbehörden schon als "Schund- und Schmutzliteratur" bekämpft, als Trivialliteratur, verdummend und jugendgefährdend abgeurteilt. Einige der geschmähten Heftreihen sind heute mittlerweile begehrte Sammlerobjekte, manche ihrer Figuren wie zum Beispiel Science-Fiction-Star Perry Rhodan von ihren Fans auf Conventions kultisch verehrte Helden. Die Textuniversen der Groschenhefte bieten sowohl Weltenflucht im Wohnzimmersessel als auch sich immer wieder erneuernde Formen und Erzählordnungen, deren Impulse dankend von neuen Medien wie Streamingdiensten aufgenommen werden. Noch haben sie den Kampf um Bahnhofsbuchhandel und Kioske nicht aufgegeben: Groschenhefte - eine Never Ending Story.

Friederike Kempner - Schlesische Meisterin der unfreiwilligen Komik
Autor: Thomas Morawetz / Regie: Martin Trauner
"Besessen ist die Welt: von Eigennutz und Geld. Und alles zum Verzweifeln dumm!" Das Publikum schlug sich auf die Schenkel vor Vergnügen und hielt sich die Bäuche vor Lachen, wenn Friederike Kempner mit einem neuen Gedichtband aufwartete. 1828 wird sie in der damaligen preußischen Provinz Posen geboren. Die Familie hält einiges auf sich, umso mehr ist die Verwandtschaft geschockt, als Friederike Kempner anfängt, zu dichten, in aller Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit. Ganze Auflagen von Friederikes Gedichten kauft die Familie, um die Peinlichkeit von ihr abzuwehren.
Daneben setzt sich Friederike Kempner auch gegen die Todesstrafe ein, gegen Einzelhaft und für Leichenhäuser als Mittel gegen die Angst, versehentlich lebendig begraben zu werden. Doch ihr großes Vermächtnis, ist ihre großartige unfreiwillige Komik. Schon zu ihren Lebzeiten hat sie das begeisterte Publikum animiert, sie zu parodieren und in ihrem Sinne weiter zu dichten. Lange hielt man einige der schrägsten Stilblüten und Metaphern für ihre eigenen. Friederike selbst nannte sich den "Schlesischen Schwan" und sah sich in einer Linie mit Goethe und Schiller. Tatsächlich setzt Friederike die Große zwar nicht die Weimarer Klassik fort, wohl aber ist sie selbst zur Stammmutter der schrägen Lyrik geworden, die große Geister bis Heinz Erhard und Robert Gernhardt nach sich zog.
Erstsendung 12. Februar 2016

Moderation: Katharina Hübel
Redaktion: Susanne Poelchau

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