Bayern 2

     

Bayern 2 Salon Hörspiel & Podcast

Freitag, 31.05.2024
20:05 bis 22:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Franz Kafka
Der Process
Jemand musste Josef K. verleumdet haben, Zu Elsa, Staatsanwalt, Ende
Mit Rufus Beck, Samuel Finzi, Corinna Harfouch, Jürgen Holtz, Milan Peschel, Jeanette Spassova, Thomas Thieme und Manfred Zapatka
Regie: Klaus Buhlert
BR 2010
Verfügbar in der ARD Audiothek

Josef K. wird der Prozess gemacht. Er weiß nicht wofür, jemand muss ihn verleumdet haben. Und dennoch akzeptiert K. die Sachlage. Er erkennt die beiden Wächter, die ihn in Gewahrsam nehmen wollen, als Autoritäten an. Er will dem undurchdringlichen Gerichtswesen auf den Grund gehen, macht sich selbst den Prozess und stellt sich - dem Autor nicht unähnlich - unter einen Generalverdacht der Schuld. Am Ende fällt K. diesem Prozess zum Opfer und willigt in die Exekution ein.

Schon eine kurze Handlungszusammenfassung läuft Gefahr, eine Erzählung linear und chronologisch-kausal nachvollziehbar zu machen, die für den Leser gerade gegensätzliche Erfahrungen bereithält, nämlich Unauflösbarkeit von Leerstellen und Offenheit von Sinn. Noch weniger trägt sie der Entstehung des Werkes Rechnung, die weit entfernt ist von einer systematisch-linearen Vorgehensweise des Autors. Kafka arbeitete zwischen August 1914 und Januar 1915 parallel an mehreren Kapiteln, schrieb gleichzeitig in verschiedenen Heften und sortierte die einzelnen Textteile immer wieder in neue Konvolute um, ohne dabei eine verbindliche Reihenfolge festzulegen. 1925, ein Jahr nach Kafkas Tod erschien im Berliner Verlag Die Schmiede der Roman "Der Prozess". Die Zusammenstellung dieser Erstausgabe besorgte Kafkas Freund Max Brod. Mit ihrer Veröffentlichung "avancierte Kafka zum Romancier mit Weltruhm" (Roland Reuß). "Der Process" aber ist Fragment geblieben. Kafka hinterließ eine nicht nummerierte, auf 16 Konvolute verteilte Handschrift. Eine ebenso radikale wie überzeugende Umgangsform mit den Manuskripten fanden 1997 Roland Reuß und Peter Staengle in der historisch-kritischen Ausgabe sämtlicher Handschriften, Drucke und Typoskripte im Verlag Stroemfeld/Roter Stern: Die handschriftlichen Manuskriptseiten werden neben ihre typographische Umschrift gestellt und die überlieferten Konvolute in separaten Heften ohne endgültige Abfolge publiziert. Diese Edition und ihr Konzept, die Variabilität eines Werkes transparent zu machen, ist Ausgangspunkt der BR-Hörspielproduktion, die sich dementsprechend nicht als Adaption oder Dramatisierung begreift. Insgesamt acht Schauspieler stellen sich mit ihren Interpretationen den Herausforderungen dieses Projekts. Reduktion und Konzentration der audiokünstlerischen Mittel sollen die Eigenarten des kafkaschen Stils und seiner Sprache hörbar machen. Wie bei den handschriftlichen Manuskripten und ihrer Edition im Medium Buch, so vermitteln sich in den akustischen Lesarten sprachliche Suchbewegungen. Der zwangsläufig linearen Anordnung der vier von 16 gesendeten Episoden im Radio steht der vollständige 16-teilige Podcast gegenüber, der, wie die historisch-kritische Ausgabe, keine eindeutige Reihenfolge vorgibt.

Franz Kafka, geb. 1883 als Sohn jüdischer Eltern in Prag. Besuch des humanistischen "Staatsgymnasiums mit deutscher Unterrichtssprache in Prag-Altstadt". Ab 1901 Jurastudium an der "Deutschen Universität Prag", daneben Besuch kunstgeschichtlicher und germanistischer Vorlesungen. Ab 1905 Freundschaft mit Max Brod. 1906 Promotion. Ab 1908 Beamter der Arbeiter-Unfalls-Versicherungs-Anstalt in Prag. 1912 erste und zweite Fassung von Der Verschollene, Das Urteil, Die Verwandlung. 1914 Verlobung mit Felice Bauer, die sechs Wochen später wieder aufgelöst wird, Der Process, In der Strafkolonie. 1917 erneute Verlobung und Entlobung mit Felice Bauer, Erkrankung an Tuberkulose. 1919 nie abgeschickter Brief an den Vater, 1922 Beginn von Das Schloß, Ein Hungerkünstler, frühzeitige Pensionierung, Am 3. Juni 1924 stirbt Kafka in Klosterneuburg-Kierling, Österreich.