Bayern 2

     

Bayern 2 Salon Ales Steger: Logbuch der Gegenwart

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Samstag, 01.06.2024
14:05 bis 15:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

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Eine Chronik der Zeit - das Logbuch der Gegenwart
Zwölf Jahre lang verfolgte Aleš Šteger ein großes literarisches Projekt. An jeweils einem Ort der Welt schrieb er eine Reportage. "Mir geht es um das Unmittelbare", sagt der Schriftsteller. Dazu eine Lesung mit Heiko Rupprecht.

"Kaum zu glauben, dass hier vor mehr als 35 Jahren nichts als Schutt lag. Dass es insgesamt nur zwei bis drei Kilometer befahrbare Strecke gab und alles dicht vermint war, wie das größte Gebiet dieses Teils von Somalia, mit über einer Million Landminen. Tötet sie alle, lasst nur die Krähen übrig!, lautete einer der berühmten Befehle von Oberst Turkeh, einem der wichtigsten Männer in Barres Spezialmiliz."

Immer wieder ist Aleš Šteger - 1973 im slowenischen Ptuj geboren - aufgebrochen in die Welt, an Orte, die ihm viel eröffnet haben über unsere Zeit und die großen Widersprüche. Der Schriftsteller war im japanischen Fukushima, besuchte Mexico-City und Shanghai, folgte den Pilgern durch Santiago de Compostela und besichtigte das Testgelände für die erste amerikanische Atombombe, im White Sands-Park im US-Bundesstaat New Mexico. An insgesamt zwölf Orten sind zwölf literarische Reportagen entstanden, geschrieben in Echtzeit (jeweils zwölf Stunden lang) und jeweils im Anschluss veröffentlicht. Mit dem "Logbuch der Gegenwart" - in insgesamt drei Bänden - liegen diese besonderen Zeit- und Welterkundungen gesammelt vor.

Eine der letzten Reisen für dieses Erzählprojekt führte Aleš Šteger nach Ostafrika, in die autonome Region Somaliland und die Hauptstadt Hargeisa. Während des Bürgerkrieges in den 1980er Jahren wurde die Stadt im Auftrag des somalischen Diktators Siad Barre nahezu vollständig zerstört. Zehntausende Menschen starben, hunderttausende mussten fliehen, Hargeisa wird immer wieder, aufgrund der Zerstörung, als "Dresden Afrikas" bezeichnet. "Wir wissen fast nichts darüber", sagt Aleš Šteger im Gespräch. "Die Menschen dort versuchen, ihr Leben zu leben. Und dann kommt man - mit der europäischen Erinnerungskultur - in das Land und stellt Fragen, die nicht immer auf Gehör stoßen." Gleichzeitig erzählt er von Versuchen, Erinnerungen zu sammeln und damit zu bewahren. Und von der mündlich überlieferten Poesie und Dichtung.

Aleš Šteger, Lyriker, Romanautor und Übersetzer, hat mit seinem "Logbuch der Gegenwart" eine Sammlung von besonderen Welt- und Zeiterkundungen erstellt. Die deutsche Übersetzung von Matthias Göritz ist im Haymon-Verlag Innsbruck erschienen. Der Schauspieler Heiko Rupprecht liest - in der Regie von Irene Schuck - aus der literarischen Reportage, die in Hargeisa, in Somaliland, entstanden ist. Mit freundlicher Genehmigung des Haymon-Verlages sind Lesung und Gespräch zu finden im "Bayern 2 Podcast Buchgefühl - reden und lesen".
Redaktion und Moderation: Niels Beintker