Bayern 2 Salon Stefanie vor Schulte: Das dünne Pferd

Luise Helm liest
Stefanie vor Schulte: "Das dünne Pferd"
Natur und Menschen sind erschöpft, die Jugend ohne Zukunft. Aber zwei Frauen wagen trotzdem den Aufbruch mit einer Gruppe Kinder. Gespräch mit Stefanie vor Schulte über ihren Roman "Das dünne Pferd" und Lesung mit Luise Helm.

"Die Frau lässt den Kugelschreiber klicken, ihr Blick wie unter Schock. Aria beugt sich zu ihr und überfliegt die Papiere. Auf keinem ist der Name des Kindes vermerkt, auch das Geburtsdatum fehlt. Aria verlässt ihren Posten und führt die Frau behutsam zur Seite. 'Wir tragen es nach. Es ist heiß hier drin. Wir schauen gleich nach Ihrem Sohn.'" (Aus: "Das dünne Pferd" von Stefanie vor Schulte)

Aria ist Krankenschwester und bemerkt es zuerst: das Klicken der Kugelschreiber, das immer häufiger zu hören ist. Eltern klicken hier beim Ausfüllen der Formulare - werden nervös, schämen sich, weil sie einfach vergessen haben, welchen Namen sie ihren Kindern gegeben haben. Das Vergessen der Namen sei auch ein Ausdruck davon, dass die Kinder grundsätzlich an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, sagt die Autorin Stefanie vor Schulte im Gespräch mit dem BR: "Zuerst werden die Namen vergessen, dann werden sie immer unwichtiger, man wohnt nicht mehr den Veranstaltungen bei, die für diese Kinder wichtig wären. Und dann werden die Kinder einfach weggenommen, fast schon entführt aus der Stadt, aber auch das interessiert niemanden. Es fährt ihnen niemand hinterher, es schaut niemand, wo sie bleiben."

Von dieser Entführung, die keine richtige ist, erzählt Stefanie vor Schulte: Aria und Marion besorgen sich einen Bus, lassen die Kinder einsteigen und fahren mit ihnen ans Meer. Eigentlich ein optimistisches Bild, dieser Bus voll kleiner Menschen. Nur ist eine Zukunft für sie kaum vorstellbar. Wärme im Moment, ein freundliches Miteinander im Hier und Jetzt: Das ist alles, was ihnen als Aussicht bleibt. Und vielleicht ist das so wenig auch wieder nicht. "Das dünne Pferd" ist der dritte Roman von Stefanie vor Schulte. Geboren 1974 in Hannover lebt sie, studierte Kostüm- und Maskenbildnerin, in Marburg. 2021 erschien ihr Debüt "Junge mit schwarzem Hahn" und wurde mit dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet.

Die Schauspielerin Luise Helm liest aus dem Roman "Das dünne Pferd". Buch und Hörbuch sind im Diogenes Verlag erschienen. Dank der freundlichen Genehmigung des Verlags sind Lesung und Gespräch zu finden im "Bayern 2 Podcast Buchgefühl - reden und lesen". Moderation: Marie Schoeß.