Bayern 2

     

radioWissen Oblomow und der Beamte

Aktenordner (Symbolbild) | Bild: picture-alliance/dpa

Dienstag, 05.06.2012
09:05 bis 10:00 Uhr

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BAYERN 2

Iwan Gontscharow
"Oblomow"

Der Beamte in der Literatur

Das Kalenderblatt
5.6.1948
Bert Brechts "Herr Puntila" uraufgeführt
Ausgewählte Beiträge als Podcast verfügbar

Iwan Gontscharow - "Oblomow"
von Christine Hamel
Seit Ewigkeiten hätte es so einen Roman nicht mehr gegeben, jubelte Lew Tolstoj nach der Lektüre von Iwan Gontascharows Roman "Oblomow". Mit seinem gleichnamigen, lebensuntüchtigen Helden schuf Gontscharow 1859 nicht nur eine der bedeutendsten Figuren der Weltliteratur, sondern auch eine prophetische Gestalt der modernen Welt. Oblomow ist ein Superstar des Nichtstun, er verbringt seine Tage im Bett und braucht die ersten 200 Seiten im Roman allein zum Aufstehen. Keine seiner Zukunftspläne und seiner hochgesteckten Ideale kann er in die Realität umsetzen. Der träge, aber liebenswerte und sympathische Gutsbesitzer entspricht damit dem in der russischen Literatur weitverbreiteten Typus des "überflüssigen Menschen." Sie stehen außerhalb des gesellschaftlich Notwendigen, woraus sich aber auch ihr widerspenstiges Potential ableitet. Aus der "Oblomowerei" spricht nicht zuletzt die Sehnsucht nach Überwindung eines seelenlosen, kalten Rationalismus. Christine Hamel hat mit dem Theaterregisseur Michail Ugarow und dem russischen Literaturwissenschaftler Wurgun Mechtijew über Oblomow und seine bis heute ungebrochene Aktualität gesprochen und zeichnet das Portrait eines humorvollen, hintergründigen Gesellschafts - und tragischen Liebesromans.

Der Beamte in der Literatur
von Rolf Cantzen
Rational, berechenbar, hierarchisch organisiert – so würde Bürokratie funktionieren, wäre da nicht das bürokratische „Menschenmaterial“. Es gibt Menschen, die sich hartnäckig weigern, sich zu fügen – zum Beispiel beim Schriftsteller Herzmanovsky-Orlando. Hier weigert sich ein gewisser Käfermacher hartnäckig zu akzeptieren, dass es ihn nicht gibt, obwohl ihm amtlich seine Existenz nicht bestätigt werden kann. Andererseits hat die Seele des erschossenen Jaroslav Hasek vor dem Himmelstor ohne amtlichen Nachweis seines Ablebens keine Chance auf die paradiesischen Freuden. Auch die Vollstrecker der Bürokratie, die Beamten, haben es schwer. Bei Gogol wirft ein gestohlener Mantel einen Beamten aus seinem geordneten Leben; er wird zum Gespenst. Bei Tschechow stirbt ein kleiner Beamter, weil sein Niesen die Glatze eines hohen Beamten bespritzte. So widmen sich Satiren und Grotesken dem Beamtendasein. Doch die Autoren wie Joseph Roth und Siegfried Lenz widmen sich ernsthaft den Konflikten des Beamtendaseins: Amt und Privatleben, Pflicht und Gewissen sind nur schwer in Übereinstimmung zu bringen.

Redaktion: Petra Herrmann
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