Orbán trifft Seehofer Schulterschluss mit viel Kritik
Gemeinsam haben Ungarns Regierungschef Orbán und Ministerpräsident Seehofer an den antisowjetischen Aufstand in Ungarn vor 60 Jahren erninnert. Mit markigen Worten verteidigte Orban seinen europapolitischen Kurs. Der Auftritt sorgte für heftige Kritik der Opposition.
Stand: 18.10.2016
Viktor Orbán machte sich überhaupt keine Mühe, diplomatisch aufzutreten. Mit markigen Worten sprach er von der blutgetränken Erde Ungarns oder vom Kampf gegen die Völkerwanderung und verteidigte seinen europa- und flüchtlingspolitischen Kurs:
"Die sensible, geografische Lage Ungarns schmeißt uns alle 30 Jahre einmal in die Hauptschlagrichtung, in die gerade aktuellen Kämpfe in Europa. Und jetzt 2015/2016 mussten wir die Grenze schließen, damit wir die vom Süden her drohende Völkerwanderung aufhalten."
Viktor Orbán, ungarischer Regierungschef
Festakt auf Einladung des ungarischen Konsulats
Orbán musste bei seinem Besuch auf protokollarische Ehren verzichten. Kein roter Teppich, keine Beflaggung. Es gab keine offizielle Einladung des Freistaates, vielmehr hatte das ungarische Generalkonsulat den Landtag für die Gedenkfeier gemietet.
Dass es dabei zu einem Meinungsaustausch zwischen Orbán und Seehofer gekommen ist, ist für die Staatskanzlei eine Selbstverständlichkeit. Schließlich sei Orbán ja ein gewählter Regierungschef.
Die Ungarn stünden ihren Mann, auch wenn sie von hinten angegriffen würden, meinte der Ministerpräsident. Die bayerisch-ungarischen Beziehungen sind für ihn darum auch mehr als Handel und wissenschaftlicher Austausch. Bei Orbán hörte sich das nach Waffengang gegen die Feinde des christlichen Europas an:
"Die bayerisch-ungarische Freundschaft ist etwas Besonderes. Das ist eine in Europa einzigartige Waffenbrüderschaft."
Viktor Orbán, ungarischer Regierungschef
Seehofer wirbt für Obergrenze
Bild: dpa-Bildfunk/Tobias Hase
Sein bayerischer Freund, Ministerpräsident Seehofer, nahm den Ball inhaltlich durchaus auf. Seehofer verteidigte den Auftritt Orbáns, weil in der Krise Gespräche und Dialog alternativlos seien. Er warb außerdem für eine Obergrenze bei der Zuwanderung:
"Die Begrenzung ist deshalb ein ethisches Gebot, damit Humanität, Freiheit und Sicherheit für die Bevölkerung hier im Lande funktionieren."
Horst Seehofer, bayerischer Ministerpräsident
Bei der Bewertung Europas gab sich Orbán zwar als grundsätzlicher Freund der EU, allerdings müsse der derzeitige Zustand korrigiert werden. Und weil niemand dabei helfe, müssten die Ungarn ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Die EU sei "abgedriftet in den Bereich außerhalb des Rechts".
So weit wollte Horst Seehofer dann doch nicht gehen. Er warb für gemeinsame europäische Lösungen. Allerdings müsse sich die EU wieder auf ihre Gründungsideale besinnen:
"Wir werden in Bayern immer für gemeinsame Lösungen kämpfen in Europa, für europäische Lösungen. Wir müssen in Europa vor allem unsere eigenen Regeln einhalten. Wir hatten eine, wie ich finde, gute Regel: Das System von Schengen, das System von Dublin."
Horst Seehofer, bayerischer Ministerpräsident
Heftige Kritik der Opposition
Die Opposition kommentierte den Auftritt Viktor Orbáns mit beißender Kritik. SPD Fraktionschef Markus Rinderspacher sagte, Orbans Aufenthalt verletzte die Würde des Parlaments.
"Wir können doch hier im Parlament nicht jeden empfangen – ausgerechnet jene, die gegen Demokratie, Freiheit und Menschenrechte sind. Und diejenigen, die Demokratie zerstören, sind hier im bayerischen Landtag bitte nicht willkommen."
Markus Rinderspacher, SPD-Fraktionschef im bayerischen Landtag
Bause: "Das ist ein schmutziger Deal"
Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause verurteilte die Anwesenheit eines Politikers, der eine fremden- und demokratiefeindliche Regierung anführe:
"Das ist ein schmutziger Deal, der hier stattfindet: Auf der einen Seite Herr Orbán, der sich im bayerischen Landtag ein demokratisches Mäntelchen umhängt und auf der anderen Seite Herr Seehofer, der Herrn Orbán einsetzen kann, um gegen die Kanzlerin zu schießen. Und dieser schmutzige Deal ist zu Lasten der Menschen in Ungarn, die für Demokratie und Meinungsfreiheit auf die Straße gehen."
Margarete Bause, B90/Die Grünen-Fraktionschefin im bayerischen Landtag
Von Seiten der Staatsregierung war nur noch Europaministerin Merk zum Festakt gekommen. Landtagspräsidentin Barbara Stamm hatte schon vor Tagen erklärt, dass sie aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen werde.