Bayern 2

     

Bayern 2 - an Allerheiligen Ilse Aichinger zum 95. Geburtstag - "Spiegelgeschichten"

Ilse Aichinger, Coverfoto "Ein Bilderbuch von Stefan Moses" | Bild: Stefan Moses, S. Fischer Verlag

Dienstag, 01.11.2016
18:05 bis 19:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

"Spiegelgeschichten". Die Schriftsteller Ruth Klüger, Robert Schindel, Wilhelm Genazino, Peter Handke, Eva Menasse und Uljana Wolf schreiben über und für Ilse Aichinger zu ihrem 95. Geburtstag. Sendung von Cornelia Zetzsche

Ilse Aichinger, die große kleine Dame der deutschsprachigen Literatur, die Lyrikerin, Hörspielautorin, Erzählerin und schweigsamste unter Österreichs Schriftstellerinnen, ist berühmt für ihre Spracharbeit im Ungesagten, für ihre magischen Räume im Realen und ihre Metaphern des Alltags. Ihre Poetik des Schweigens ergab sich aus ihrer konsequenten Ablehnung von jeglichem Konformismus im Leben und Schreiben.
Als Zwillingsmädchen, als Tochter eines Lehrers und einer jüdischen Ärztin, wurde sie am 1. November 1921 in Wien geboren, vor 95 Jahren. Die Nazi-Zeit lebte und überlebte sie als „Halbjüdin" in einem Zimmer mit ihrer jüdischen Mutter, direkt gegenüber der Gestapo-Leitstelle in Wien, immer in Gefahr, verhaftet zu werden. Ihr Medizin-Studium nach dem Krieg brach sie ab, für die Verlagstätigkeit bei Fischer und vor allem fürs eigene Schreiben. „Das vierte Tor“ heißt ihre erste Geschichte, die 1945 schon veröffentlicht wurde, das erste Zeugnis in der deutschsprachigen Literatur, das vom Konzentrationslager spricht.
Die Sendung bilanziert biographische Daten der Grande Dame der Dichtung: ihre Kindheit und Jugend in Wien und die Deportation der Großmutter, die Arbeit mit Inge Scholl nach dem Krieg in Ulm und im S.Fischer-Verlag Frankfurt, die Beteiligung an der Gruppe 47 und das Familienleben mit Günter Eich in Bayern und Großgmain. Sie spiegelt Ilse Aichinger in Orten und Personen, die ihr wichtig waren und sind. Das vierte Tor und den Zentralfriedhof, einstige Wohnungen, Kinos, Kaffeehäuser wie das Café Demel und das Café Jelinek, Arbeitsplätze Ilse Aichingers, die den Trubel beim Schreiben liebte; keine Idyllikerin, eher eine Kino-Enthusiastin und ein Dylan-Fan.
Kollegen kommen in dieser Hommage zu Wort: die Germanistin und Autorin Ruth Klüger, der Dichter Robert Schindel und der Büchner-Preisträger Wilhelm Genazino, Peter Handke, Eva Menasse und die Lyrikerin Uljana Wolf, die Ilse Aichingers „Schlechte Wörter“ ins Amerikanische übertrug. Sie alle geben Auskunft und schreiben zum Teil exklusive Texte. Spuren, die Ilse Aichinger legte, werden nachgezeichnet. Und natürlich kommt die Dichterin selbst zu Wort.
Redaktion: Cornelia Zetzsche