Racial Profiling bei der Polizei "Straftaten sind auch verboten, trotzdem finden sie statt"
Bundesinnenminister Seehofer ist gegen eine Studie, die rassistische Tendenzen in der Polizei untersuchen soll. Racial Profiling sei schließlich verboten. Die Grünenpolitikerin Irene Mihalic, selbst lange als Polizistin tätig, kritisiert das.
Racial Profiling liegt vor, wenn Sicherheitsbehörden eine Person aufgrund der Hautfarbe, der ethnischen Zugehörigkeit oder der Herkunft als verdächtig einschätzen und nicht aufgrund ihres Verhaltens. Die Debatte darüber geht zurück auf eine Empfehlung der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, ein Gremium des Europarates. Die Kommission hatte der Bundesregierung empfohlen, Social Profiling bei der deutschen Polizei in einer Studie zu untersuchen. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat sich gegen eine solche Studie ausgesprochen, weil Racial Profiling verboten sei.
Rolf Büllmann: Wie wichtig ist die Entscheidung der Bundesregierung als Signal sowohl in die Polizei hinein als auch in die Gesellschaft?
Irene Mihalic: Ich finde vor allen Dingen die Begründung von Horst Seehofer abenteuerlich. Dass er sagt, Racial Profiling werde weder praktiziert, noch sei es erlaubt und deshalb bräuchte man dazu auch keine Studie. Straftaten sind auch verboten, aber trotzdem werden sie natürlich begangen. Und auch über Rassismus innerhalb der Polizei beziehungsweise rassistisch wirkende Kontrollen wird immer wieder berichtet und nur weil Racial Profiling verboten ist, heißt das nicht, dass es das nicht gibt. Deswegen finde ich das Signal in die Öffentlichkeit hinein schon verheerend, dass man nichts hören, nichts sehen will und das auch nicht genauer untersuchen möchte.
Das Argument, dass man nicht eine ganze Institution unter Generalverdacht stellen möchte, lassen Sie nicht gelten?
Nein, das lasse ich in keiner Weise gelten, weil ja auch die Polizei selbst ein Interesse daran hat, eine solche Untersuchung zu machen. Die vielen Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag tadellos ihren Dienst versehen, möchten es wahrscheinlich auch genau wissen, wie es in ihrer Institution aussieht. Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter unterstützt die Forderung nach einer Studie, weil man auch da der Meinung ist, dass niemand Angst vor der Wissenschaft haben muss, sondern dass wir in dieser ganzen Debatte um das Thema Rassismus in der Polizei endlich mal wirklich auf einer fundierten Faktenbasis diskutieren müssen, anstatt ständig nach Gefühlslage zu beurteilen, wie es denn nun innerhalb der Polizei aussieht.
Eine Faktenlage ist das eine, aber persönliches Erleben ist das andere. Sie selbst waren sehr lange Polizeibeamtin. Wie sind denn Ihre Erfahrungen mit diesem Problem? Haben Sie Racial Profiling erlebt?
Ich persönlich hatte das große Glück innerhalb meines engen Dienstumfeldes keinen Rassismus erlebt zu haben. Doch das ist natürlich nicht repräsentativ und uns ereilen immer wieder Berichte über rassistisch motivierte Kontrollen oder rassistisch wirkende Kontrollen. Menschen schwarzer Hautfarbe schreiben mir als Abgeordnete, dass sie nach ihrer Auffassung unzulässigerweise kontrolliert worden sind. Es gibt viele Medienberichte über das Thema Rassismus und Rechtsextremismus innerhalb der Sicherheitsbehörden. Es werden immer wieder Fälle an die Oberfläche gespült, und es sind verdammt viele Einzelfälle, wenn man sie als Einzelfälle betrachten möchte. Für meinen Geschmack sind es zu viele Einzelfälle. Mit dieser Haltung bin ich nicht alleine. Und gerade deswegen wäre es ja so wichtig zu wissen, über welches Ausmaß, wir hier eigentlich reden und das wirklich mal wissenschaftlich fundiert untersuchen zu lassen.
Der CDU-Innenexperte Schuster, Ihr Gegenpart quasi, sagt: "Wenn Rauschgifttransporte dadurch stattfinden, dass man das Rauschgift schluckt. Und wenn das in aller Regel auf bestimmten Strecken Menschen aus Schwarzafrika sind, die dieses Risiko eingehen und wir wissen das, dann muss ich diese Menschen kontrollieren." Ist das Racial Profiling oder ist es einfach gute Polizeiarbeit?
Nein, das ist kein Racial Profiling. Und deswegen verstehe ich auch nicht, was Armin Schuster da sagt. Also es ist selbstverständlich nicht verboten, Menschen schwarzer Hautfarbe zu kontrollieren, wenn es da einen begründeten Verdacht gibt. Und er hat einen begründeten Verdacht formuliert, eben wenn Lageerkenntnisse vorliegen, dass zum Beispiel auf bestimmten Strecken oder in bestimmten Gegenden Menschen mit schwarzer Hautfarbe in Drogengeschäfte verwickelt sind, dann gibt es einen Anlass. Der ist ein Grund, diese Leute zu kontrollieren. Beim Thema Racial Profiling reden wir aber gerade über anlasslose Kontrollen, also ohne einen konkreten Verdacht und ohne konkrete Lageerkenntnisse. Dass Menschen dunkler Hautfarbe in irgendwelche Straftaten verwickelt sind. Also wir reden über anlasslose Kontrollen. Und das ist ein schwerwiegendes Problem, wenn es dann immer Menschen dunkler Hautfarbe trifft.
Aber das ist tatsächlich verboten. Der Bundesinnenminister hat nicht unrecht, wenn er das sagt. Tun also die Vorgesetzten nicht genug?
Na ja, das kann verschiedene Ursachen haben. Also wenn eine solche Kontrolle durchgeführt wird, dann kann natürlich Rassismus dahinter stecken. Es kann aber auch sein, dass die Gesetze, die wir haben, so wirken, dass sie eben eine rassistische Wirkung entfalten. Wenn sie zum Beispiel einen Paragrafen im Bundespolizeigesetz nehmen, der anlasslose Kontrollen zum Zwecke des Feststellens der illegalen Einreise erlaubt und Sie sich diesen Paragrafen mal genau durchlesen, dann werden Sie feststellen, dass es praktisch keine Voraussetzung gibt für eine Personenkontrolle. Das verunsichert natürlich auch viele Beamtinnen und Beamte, die sozusagen per Gesetz gar nicht richtig wissen können, wie diese Vorschrift eigentlich im Detail anzuwenden ist. Und dann können natürlich auch Kontrollen eine rassistische Wirkung entfalten. Wenn man dann einfach nur nach Erfahrungswissen geht und sagt: Ja, okay, ich kontrolliere jetzt mal diesen Menschen, es könnte ja sein, dass der illegal eingereist ist. Das sagt auch die Gewerkschaft der Polizei, dass dieser Paragraf zum Beispiel so formuliert ist, dass das dann auch eine rassistische Wirkung entfaltet werden kann.