Bayern 2 - Gedanken zum Tag


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Anselm Grün Gedanken zum Tag

Wir gebrauchen die Worte Alleinsein und Einsam-sein oft im gleichen Sinn. Doch Alleinsein ist mehr die äußere Situation. Einsamkeit drückt dagegen eher die Befindlichkeit aus.

Stand: 04.07.2024 00:01 Uhr

Gedanken zum Tag - Bayern 2 | Bild: BR

04 Juli

Donnerstag, 04. Juli 2024

Wir gebrauchen die Worte Alleinsein und Einsam-sein oft im gleichen Sinn. Doch Alleinsein ist mehr die äußere Situation. Einsamkeit drückt dagegen eher die Befindlichkeit aus. Ich fühle mich einsam. Allerdings sagen viele auch: Ich fühle mich allein. In unserer alltäglichen Sprache unterscheiden wir nicht immer zwischen Alleinsein und Einsamkeit. Und doch gibt es einen Unterschied. Fritz Riemann, der Münchner Psychiater, beschreibt den Unterschied so: "Ist nicht jeder von uns schon einmal allein gewesen, ohne sich einsam zu fühlen, hat er nicht vielleicht sogar das Alleinsein gesucht, um sich ungestört und ohne Ablenkung mit etwas zu beschäftigen, um mit sich selbst allein sein zu können, ohne sich dabei einsam zu fühlen? Und wir alle kennen wohl auch die andere Erfahrung, dass wir uns unter Menschen befanden und uns trotzdem einsam fühlten - etwas wie eine unsichtbare Glaswand zwischen ihnen und uns zu stehen schien." Man könnte also sagen: Alleinsein ist ein Zustand, Einsamkeit ein Gefühl. Aber auch die Einsamkeit kann man verschieden sehen. Sie ist nicht nur ein negatives Gefühl von Schmerz und Traurigkeit. Sie kann auch eine Befindlichkeit des Menschen ausdrücken, die wesentlich zu ihm gehört und die eine Chance sein kann, das Geheimnis der eigenen Existenz zu erahnen. Der Philosoph Johannes B. Lotz beschreibt die verschiedenen Arten von Einsamkeit: "Es gibt eine beglückende und eine quälende, eine befruchtende und eine zerstörerische Einsamkeit.

Entnommen aus: Anselm Grün "Stille im Rhythmus des Lebens. Von der Kunst allein zu sein", Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2013


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