Bayern 2 - Gedanken zum Tag


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Irmtraud Tarr Gedanken zum Tag

Fast jeder kennt den Gedanken: Eigentlich müsste ich aufhören.

Stand: 15.07.2024 00:01 Uhr

Gedanken zum Tag - Bayern 2 | Bild: BR

15 Juli

Montag, 15. Juli 2024

Fast jeder kennt den Gedanken: Eigentlich müsste ich aufhören. Aber aufhören - ich allein? Das schaffe ich nicht. Wem soll das nützen? Die anderen machen sowieso alle weiter. Die Angst vor dem Aufhören verlieren wir erst, wenn wir im Alltag innehalten und anfangen hinzuhören, was diese innere, leise Stimme uns zuflüstert. Oder wenn wir im Alltag anfangen kleine, überschaubare Abschiede umzusetzen und als Chancen für Neues kennen zu lernen. Bei näherem Hinschauen entdeckt man, dass Aufhören in der Tat eine Kunst ist, weil Aufhören genau das verlangt, was Kreativität uns abverlangt: Hören-auf, Hinhören, Zuhören, Hingabe. Aufhören bedeutet ja nicht nur, etwas zu beenden und abzuschließen, sondern gleichzeitig auch auf etwas hören, aufhorchen, wahrnehmen, sich in Acht nehmen, die Ohren spitzen. Aufhören verändert die Sicht auf das Leben. Es muss nicht Verlust bedeuten, sondern kann sogar neue Möglichkeits- und Spielräume eröffnen. Wir betrachten die Welt unter einem veränderten Blickwinkel. Es ist alles noch da, aber man sieht es neu, weil sich innerlich etwas gewandelt, verschoben oder verlagert hat. Ein Wendemanöver hat stattgefunden. Ein neues Bild entsteht, ein neuer Raum öffnet sich.

Entnommen aus: Irmtraud Tarr "Aufhören und Anfangen", in: Wie die Zeit vergeht, Hrsg. Rudolf Walter, Herder Verlag, Freiburg 2024


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