Bayern 2 - Gedanken zum Tag


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Ingrid Riedel Gedanken zum Tag

Berührbar zu sein, wieder berührbar zu werden, vielleicht nach längerer Apathie, das bedeutet, sich dem Leben wieder zuzuwenden.

Stand: 18.07.2024 00:01 Uhr

Gedanken zum Tag - Bayern 2 | Bild: BR

18 Juli

Donnerstag, 18. Juli 2024

Berührbar zu sein, wieder berührbar zu werden, vielleicht nach längerer Apathie, das bedeutet, sich dem Leben wieder zuzuwenden, die Zuwendung des Lebens selbst wieder an sich heranzulassen, Liebenswertes an Menschen zu entdecken und Nähe zu wagen. Berührbar zu sein, sich etwas unter die Haut gehen zu lassen: Letztlich meint dies auch, verletzbar zu sein und sich in seiner Verwundbarkeit anzunehmen - sie der Unverwundbarkeit vorzuziehen. Von hier aus aber liegt es nahe, zu wissen, dass der Mitmensch, das Mitgeschöpf ebenso verletzbar ist, sobald es sich nackt, ohne Schutz zeigt, sobald es zu mir hin Nähe wagt. Diese Einsicht in unser aller Verwundbarkeit fordert jedoch den Menschen, der sich selbst und seine am Tastgefühl gewonnene Empathie ernst nimmt, zur Zartheit mit dem verletzbaren Mitmenschen und all den Mitlebewesen heraus. Aus solcher gegenseitigen Zartheit kann Zärtlichkeit gegenüber allem Lebendigen entspringen: eine neue Ethik der Berührbarkeit.

Entnommen aus: Ingrid Riedel "Geschmack am Leben finden, Erfüllte Momente entdecken", Patmos Verlag, Ostfildern 2023


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