"Es gibt Menschen, die sich ihren Traum überhaupt nie gestatten - geschweige denn, ihn zu verwirklichen. Vielleicht überlegen sie ihr ganzes Leben lang nicht ein einziges Mal, was sie wirklich wollen. Es ist sicherer für sie zu leiden, als Schritte zu unternehmen, ihr Leben zu verändern. Gar nicht zu reden von der Aufmerksamkeit und dem Mitgefühl, das sie bekommen, wenn sie sich selbst und anderen leidtun, solange sie in ihrem Leid stecken bleiben. Das gebetsmühlenartige Aufzählen aller Dinge, die für sie schieflaufen, kann dabei sehr hilfreich sein: So kann das Unglück auch zu einer Art Glück werden und Befriedigung schaffen, weiterleiden zu dürfen. Niemand hört das gerne, aber sobald wir das begreifen, können wir damit aufhören, unser Leben mit den vielen kleinen selbst ernannten Schwierigkeiten weiter zu beschweren." (…) Das ist in etwa so, als würde man nie mit dem Fahrrad losfahren, weil man beide Hände auf der Bremse hat - aus Angst davor, eventuell bei der Fahrt zu stürzen. (…) Eine Bremse gedrückt zu halten, kostete auch sehr viel Kraft. Da ist es doch zielführender, locker zu lassen und endlich loszuziehen. Und wenn wir das tun - sollten wir dann nicht eher lernen, die Fahrt schon auf den ersten Metern zu genießen und nicht erst in der Zukunft davon zu träumen?

Entnommen aus: Andrea Weidlich "Wo ein Fuck ist, da ein Weg. Wie plötzlich alles möglich wird, wenn du aufhörst, es allen Recht zu machen", MVG Verlag, München 2022