Schon eine Kleinigkeit - ein zu enger Schuh zum Beispiel - kann uns den ganzen Tag verderben. Nichts gefällt uns dann mehr; unser sonst verlässliches Urteil ist getrübt. Das Heilmittel ist einfach; (…) ein Übel, dessen Ursache man kennt, wird dadurch augenblicklich leicht. Man behauptet des öfteren, schlechte Laune sei eine Krankheit, gegen die es kein Mittel gebe. (…) Ein Lächeln erscheint uns geringfügig und ohne Wirkung auf unsere Laune; weshalb wir´s auch gar nicht erst versuchen. Dabei krempelt uns die Höflichkeit, die uns ein Lächeln und einen liebenswürdigen Gruß abnötigt, oft regelrecht um. Der Physiologe weiß, warum; denn ein Lächeln wirkt ebenso befreiend wie ein Gähnen; es entkrampft nacheinander die Kehle, die Lungen und das Herz. Kein Arzt fände unter seinen Medikamenten eins, das gleich prompt und harmonisch wirkte. Die Einbildung verschafft uns hier eine Erleichterung, die nicht weniger wirklich ist als die Leiden, die sie verursacht.

Entnommen aus: Emile Chartier "Die Pflicht, glücklich zu sein", Suhrkamp Verlag, Berlin 2005