Engelbrecht / Linden Gedanken zum Tag
Prinzipiell gibt es kaum jemanden, der nicht in Verbitterung geraten könnte, wenn er an der richtigen Stelle getroffen wird, wenn für ihn zentral wichtige Werte und Grundannahmen verletzt werden und sein Sinn für Gerechtigkeit betroffen ist.
16. September
Montag, 16. September 2024
Prinzipiell gibt es kaum jemanden, der nicht in Verbitterung geraten könnte, wenn er an der richtigen Stelle getroffen wird, wenn für ihn zentral wichtige Werte und Grundannahmen verletzt werden und sein Sinn für Gerechtigkeit betroffen ist. Sicher, wenn einem nichts und niemand wichtig ist, kann man zwar kaum verletzt werden - das wäre aber wohl auch keine erstrebenswerte Alternative, denn wem nichts wichtig ist, der hat auch keine Ziele, die zu verfolgen es lohnt, und keine Motivation, sich aktiv für etwas einzusetzen. Wer Pianist werden und in der Philharmonie auftreten will, muss sein Leben dem Klavierspielen "opfern", das heißt, von Kindheit an täglich stundenlang am Klavier sitzen und dafür viele andere Aktivitäten hintanstellen. Wer eine berufliche oder gar politische Karriere machen will, kann nicht erwarten, dass er jeden Tag pünktlich zur Familie nach Hause kommt. Wer im Leben etwas erreichen will, muss zu einem gewissen Grad "einseitig" werden. Günstig ist es jedoch, wenn man nicht zu monomorph in seinem Leben ist und man mehrere Dinge hat, die einem wichtig sind. Das eigene Selbstverständnis sollte auf mehreren Pfeilern stehen. Wer all seine Energie nur auf einen einzigen Lebensbereich konzentriert, also beispielsweise nur für seine Arbeit lebt oder nur für die Familie, nur für den Status, die Politik, den Staat, die Religion usw., kann tief enttäuscht und gekränkt werden, wenn ihm dieser zentrale Daseinszweck, auf den er all seine Energie gerichtet hat, entzogen wird.
Entnommen aus: Sigrid Engelbrecht / Michael Linden "Lass los! Es reicht - Wege aus der Verbitterung", Ecowin Verlag, Salzburg 2018