Es gibt Tage, da gehe ich raus und bin einfach da. Die Welt wirft sich mir entgegen, und ich nehme sie an: jedes Geräusch, jeden Geruch, alles, was ich sehe, jedes Gefühl. Völlig egal, ob die Reize angenehm oder unangenehm sind, ich nehme sie in ihrem vollen Ausmaß an und fühle mich präsent in der Welt. Das sind Tage, an denen ich mich lebendig und da und komplett und echt fühle. Dann gibt's andere Tage, die irgendwie an mir vorbeiziehen. Die Welt präsentiert sich mir leicht entrückt, Reize kommen nur gefiltert bei mir an. Ich fühle mich weniger lebendig, manchmal sogar eher wie ein Zombie, phasenweise unwirklich. Der Unterschied zwischen ersteren und letzteren Tagen ist meinem Gefühl nach, ob ich oder ob ich nicht mit Tiefe lebe. Tiefe ist ein Konzept, das für mich die mentale Gegenwärtigkeit in der Welt sowie meine emotionale Gegenwärtigkeit bezüglich meines Geisteszustands umschreibt. Es geht dabei um Präsenz und um ein Eintauchen und wirkliches Erleben der Welt sowie das eigene Empfinden dabei. Das Leben mit Tiefe ist unmittelbar mit einer Form von Spiritualität verwoben, ob sie nun an eine spezifische Religion oder an nichts Konkretes geknüpft ist. Es geht dabei häufig um eine Erfahrung von "mehr" oder einer "höheren Macht".

Entnommen aus: Timon Krause "Sei deiner Zeit voraus. 13 Denkprinzipien für die Welt von morgen", Rowohlt Verlag, Hamburg 2024