Bayern 2 - Gedanken zum Tag


31

Stephen Nachmanovitch Gedanken zum Tag

Jeder von uns hat schon beobachtet, wie intensiv ein Kind vom Spiel beansprucht wird, die Konzentration mit weit aufgerissenen Augen, in der sowohl Kind als auch Welt verschwinden und nur noch das Spiel existiert.

Stand: 27.09.2024

Gedanken zum Tag - Bayern 2 | Bild: BR

27 September

Freitag, 27. September 2024

Jeder von uns hat schon beobachtet, wie intensiv ein Kind vom Spiel beansprucht wird, die Konzentration mit weit aufgerissenen Augen, in der sowohl Kind als auch Welt verschwinden und nur noch das Spiel existiert. Erwachsene, die in ihr Schaffen vertieft sind, können ebenfalls solche Momente erfahren. Es ist möglich, zu dem zu werden, was man tut; diese Momente kommen, wenn man heraustritt, und es gibt nur noch das Schaffen. Die Intensität der fokussierten Konzentration und Vertieftheit erhält sich von selbst aufrecht und steigert sich, die körperlichen Bedürfnisse schwinden, der Blick verengt sich, der Sinn für Zeit steht still. Man fühlt sich wach und lebendig; Mühen werden mühelos. Man verliert sich in der eigenen Stimme, in der Handhabung der Werkzeuge, im Gefühl für die Regeln. Beansprucht von der reinen Faszination des Spiels, der Textur, des Widerstands, der Nuancen und der Begrenztheit des jeweiligen Mediums vergisst man Zeit und Ort und wer man ist. Das Wort "Ich" wird zum Verb. In diesem Schmelzpunkt des Schaffens aus dem Moment heraus verbinden sich Arbeit und Spiel. Buddhisten nennen diesen Zustand der absorbierten, selbstlosen, absoluten Konzentration Samadhi. (…) Babys scheinen oft, wenn nicht sogar ständig in einem Zustand des Samadhi, und sie haben die einmalige Eigenschaft, jeden um sich herum ebenfalls in den Zustand des Samadhi zu versetzen.

Entnommen aus: Stephen Nachmanovitch "Das Tao der Kreativität. Schöpferische Improvisation in Leben und Kunst", aus dem Amerikanischen von Dan Richter, O. W. Barth Verlag, Frankfurt 2008


31