Claudia Hammond Gedanken zum Tag
Gehen erlaubt uns, in unseren Körpern und in der Welt zu sein, ohne von ihnen zur Geschäftigkeit genötigt zu werden.
03. Oktober
Donnerstag, 03. Oktober 2024
"Gehen erlaubt uns, in unseren Körpern und in der Welt zu sein, ohne von ihnen zur Geschäftigkeit genötigt zu werden. Es lässt uns frei denken, ohne dass wir uns gänzlich in unseren Gedanken verlieren." Mit diesen beiden Sätzen hat Rebecca Solnit die einzigartigen Qualitäten eines Spaziergangs zusammengefasst. Sowohl der Körper als auch der Geist sind beteiligt, und zwar genau im richtigen Verhältnis. Wie Rebecca Solnit waren auch Beethoven, Dickens, Goethe, Kierkegaard, Nietzsche, Kant und Aristoteles (um nur ein paar wenige zu nennen) Anhänger ausgiebiger Spaziergänge - und zwar aus demselben Grund: Sie boten ihnen die Gelegenheit zum Nachdenken. "Alle wahrhaft großen Gedanken kommen einem beim Gehen", schrieb der Philosoph Friedrich Nietzsche 1889. Ein Jahrhundert zuvor bestand Rousseau darauf, dass es für ihn die einzige Möglichkeit sei, sich zu konzentrieren: "Ich kann nur im Gehen denken: sobald ich stehen bleibe, denke ich nicht mehr, mein Kopf arbeitet nur mit den Füßen gleichzeitig." Wir andere mögen zwar nicht das Talent dieser großen Denker besitzen, aber wir machen alle die gleichen Erfahrungen. Wir kommen mit irgendetwas nicht weiter. Wir geben auf und unternehmen einen Spaziergang. Wir denken nicht mehr an das Problem, das uns solche Schwierigkeiten bereitet, und die Lösung kommt uns - wenn wir Glück haben - von allein in den Sinn.
Entnommen aus: Claudia Hammond "Die Kunst des Ausruhens. Wie man echte Erholung findet", aus dem Englischen von Silvia Morawetz und Theresia Übelhör, DuMont Buchverlag, Köln 2021