Manchmal benutzen Menschen zur Begrüßung keine Formel, wie "Hallo" oder "Hi". Stattdessen stellen sie Fragen. Eine davon: "Alles gut?!" Über ein wirklich ernst gemeintes "Wie geht es dir?" freue ich mich immer sehr. Am allermeisten, wenn die Person dann auch wirklich zuhören möchte. Aber was soll ich anfangen mit "Alles gut?!" Wenn es mir wirklich schlecht geht, möchte ich dann schreien: "Nein! Danke der Nachfrage!" Innerlich schreie ich das öfter. Und äußerlich höre ich mich zurückfragen: "Kann jemals alles gut sein?" Kann jemals alles gut sein? (…) Wenn ich mir diese Frage stelle, gebe ich mir eine Chance. Jetzt kann ich mir antworten. Was ist gut? Was nicht? Manches findet sich auf beiden Seiten. Zum Beispiel "Viel zu tun." Dieser Punkt zeigt mir, dass ich gebraucht werde und dass ich tatsächlich auch an einem Tag ziemlich viel schaffe. Viel Wäsche bedeutet, dass wir genug zum Anziehen haben. Vieles in meinem Leben ist gut und schlecht zugleich. Manches ist Baustelle, anderes vorzeigbar. Demnach ist nie alles gut, aber auch nie alles schlecht. (…) Inzwischen ist dieses "Alles gut?!" für mich eine Einladung geworden, ehrlich darüber nachzudenken, was bei mir gerade los ist. Mir persönlich hilft es, bisweilen Bilanz zu ziehen und die Frage zuzulassen. Diese Einladung gebe ich gerne weiter. Denn meine persönliche Antwort darauf hilft vielleicht auch anderen: "Nein, es ist niemals alles gut. Aber das ist okay."

Entnommen aus: Ramona Eibach "Funkelflocken, Wenn der Moment zu leuchten beginnt", Neukirchener Verlagsgesellschaft, Neukirchen-Vluyn 2023