Bayern 2 - Gedanken zum Tag


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Ulrich Hoffmann Gedanken zum Tag

Die US-Soziologieprofessorin Brenè Brown forscht über Scham und Schuld.

Stand: 17.10.2024

Gedanken zum Tag - Bayern 2 | Bild: BR

17 Oktober

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Die US-Soziologieprofessorin Brenè Brown forscht über Scham und Schuld. (…) Ihr überraschendes Ergebnis nach jahrzehntelangen Befragungen von Menschen, die seltener an Schamempfinden leiden: Sie haben gelernt, verletzlich zu sein. Entweder als Kinder oder später im Leben. Das klingt erst mal beängstigend, ist aber auf die Dauer eine Erleichterung. Wer das kann, muss die Zuweisung von Schamgefühlen nicht mehr enttäuscht oder panisch hinnehmen. Sondern kann sie überprüfen. War es wirklich ein Charakterfehler von mir, die Präsentation zu vermasseln oder zu spät zu einer Verabredung zu kommen? Oder war es vielleicht zwar ein Fehler oder ein Versehen, aber kein Zeichen für eine defekte Persönlichkeit? Wer beginnt, die Situation mit Abstand zu betrachten, stellt häufig fest, dass die lautesten Vorwürfe von Personen kommen, die ihre eigene, etwas wackelige Position auf diese Weise stabilisieren möchten. Sie fühlen sich aus irgendeinem Grunde unsicher - da tut es ihnen erst mal gut, diese negativen Gefühle jemand anderem zuzuschieben. Auf die Dauer entsteht so aber ein unheiliger Kreislauf aus Vorwurf und Abwehr, der leider nicht durch den Versuch zu durchbrechen ist, alles richtig zu machen. Denn beim Perfektionismus geht es nicht um die Sache. Es geht darum, die Angst vor der Scham in Schach zu halten. Die Angst vor dem persönlichen Scheitern; Und Fordernden darum, nicht selbst Verantwortung zu übernehmen, sondern sich stattdessen hinter Ansprüchen zu verschanzen und sich durch die Kritik an anderen selbst zu erhöhen.

Entnommen aus: Ulrich Hoffmann "(Außer) Kontrolle. Was wir beeinflussen können und was nicht - und wie wir lernen, damit umzugehen", Mosaik Verlag, München 2022


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