Paulina Kleinsteuber Gedanken zum Tag
Manchmal trifft man noch auf sie, die uralten Bäume. Oliven, Eichen oder Linden, die seit Jahrhunderten in ihrem Dasein stehen.
22. Oktober
Dienstag, 22. Oktober 2024
Manchmal trifft man noch auf sie, die uralten Bäume. Oliven, Eichen oder Linden, die seit Jahrhunderten in ihrem Dasein stehen. Sie sind viel älter als wir und haben so viel erlebt. Die Kriege und die Industrialisierung, viele bedrohliche und menschengemachte Enwicklungen, die den bäumischen Interessen entgegenstanden. Dennoch haben einige von ihnen die Dramen überstanden, im wahrsten Sinne des Wortes, obwohl sie weder weglaufen noch sich selbst dagegen aufbäumen konnten. Sie haben mehr Erfahrungen mit den Sonderbarkeiten der Menschen gemacht, als wir sie selbst jemals haben können. Es verwundert wenig, dass alte Bäume in früheren Tagen tief verehrt wurden. Wie viel Weisheit mag in so einem geschichtserfüllten Baum stecken? Wirklich schade finde ich, dass wir nicht mit ihnen sprechen und an ihrem Erleben teilhaben können. Doch in meinem Bedauern frage ich mich zugleich, ob die Menschheit bereit wäre, ihnen wirklich zuzuhören? Eine Ahnung sagt mir: Nein. Denn dann, so meine Vermutung, gäbe es keine Ausreden mehr. Wir müssten endlich Verantwortung übernehmen und uns wehren gegen das, was wir Menschen unserer Schöpfung tagtäglich antun.
Entnommen aus: Paulina Kleinsteuber "Libellenflug und Windgeflüster, 52 Fährten Gottes in der Welt", Herder Verlag, Freiburg 2024