Bayern 2 - Gedanken zum Tag


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Jörg Bernardy Gedanken zum Tag

Der Philosoph Platon meinte, wahres Wissen sei eigentlich nur ein Wiedererinnern.

Stand: 19.11.2024

Gedanken zum Tag - Bayern 2 | Bild: BR

19 November

Dienstag, 19. November 2024

Der Philosoph Platon meinte, wahres Wissen sei eigentlich nur ein Wiedererinnern. Unsere Seele trägt bereits alle Ideen in sich, so seine These. Die Seele weiß genau, warum sie hier ist und was es mit dem Leben in diesem Universum auf sich hat. Bloß wir müssen uns wieder daran erinnern. Das Wissen und die Ideen sind für Platon zeitlos. Diese Seelenerkenntnis nennt er "Anamnesis", das altgriechische Wort für Wiedererinnerung. Als ich zum ersten Mal davon erfuhr, war ich fasziniert von der Vorstellung, dass wir alles Wesentliche schon in uns tragen. Ich war zutiefst berührt und glaubte in dem Moment einer tieferen Wahrheit in mir begegnet zu sein. Einer intuitiven Weisheit, die lange Zeit verschüttet war. Ich verfiel in ein großes Staunen. Wie kann es sein, dass wir eigentlich schon alles wissen? Ist das Wesentliche unserer Existenz wirklich zeitlos? Und wie können wir den Prozess der Wiedererinnerung aktiv unterstützen? Leider bleibt die Erkenntnislehre bei Platon etwas vage. Er spricht von einer "Seelenschau" und davon, dass sich die Seele im Prozess des Wiedererinnerns immer weiter nach oben arbeitet, bis sie irgendwann die höchste aller Ideen erkennt, die Idee des Guten. Wirklich erklären lässt sich das allerdings nicht. Man kann es sich aber in Gleichnissen vorstellen und muss es letztlich selbst erfahren, um es nachvollziehen zu können.

Entnommen aus: Jörg Bernardy "Über die Kraft der Einfachheit in turbulenten Zeiten. 22 philosophische Zeiten", Gräfe und Unzer Verlag, München 2024


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