Ich liebe das Bild vom Weinstock und der Rebe. Wenn die Rebe erkennt, wer sie ist, erkennt sie, dass sie Weinstock ist. Wenn sie krank ist, ist der ganze Weinstock krank, dann sind wir alle krank, dann ist auch Gott krank und leidet als diese Form. Diese Gewissheit wird uns nur geschenkt, wenn wir in die eigene Tiefe vordringen, die immer die Tiefe Gottes ist. Es gibt dort kein Anderes. Wenn wir erfahren, dass wir auch Weinstock sind, werden wir in der Not zusammenstehen und uns gegenseitig helfen. Denn es gibt keinen Anderen. Es gibt nichts, was nicht der Weinstock Gott wäre. Was war bei dem Erdbeben, bei der Flutwelle, bei denen Tausende umgekommen sind. Sie haben verloren, haben sie auch gewonnen? Auch als Flutwelle hat sich Gott geoffenbart. Er lebte und starb als alle, die umgekommen sind. Und das Leben aller, die umgekommen sind, ist sein Leben und geht weiter, auch wenn wir nicht wissen wie.

Entnommen aus: Willigis Jäger "Das Leben endet nie. Über das Ankommen im Jetzt", Theseus Verlag, Berlin 2005