Maria-Anna Immerz Gedanken zur Adventszeit
Namen mit nur einer Silbe
17. Dezember
Dienstag, 17. Dezember 2024
Ben ist angekommen, meldet eine Mail. Am Spielplatz höre ich: Warte, Jo! Vornamen mit nur einer Silbe sind Trend. Im digitalen Zeitalter nutzen wir Abkürzungen wie eine Zweitsprache. So etwas kennen Glaubensmenschen auch. In der westlichen Welt haben wir das ganz kurze Wort "Gott". Und IHS ist ein altes Kürzel für Jesus. Im Advent kommt diese Verknappung zum Höhepunkt. Heute bis Heiligabend beginnt im Abendgebet der Kirche der Liedruf mit nur einem Buchstaben: O. Das O verbindet sich mit einem Wort der Bibel, in dem die Sehnsucht nach einem Erlöser anklingt: O Weisheit, o Schlüssel, o Gott-mit-uns! O komm endlich! Auch im Alltag rufen wir "O!" Und wissen: Darin kann ganz Vieles liegen: "O" rutscht uns raus, wenn wir erschrecken. "O" kann ein tiefer Seufzer sein, Schmerz, Enttäuschung. Und im "O" kann Vorfreude auf wahrhaft Schönes anklingen. Was Menschen von sich reinlegen, wenn sie die alten O-Rufe vor Weihnachten beten, kann so verschieden sein wie unser Leben. Was es genau ist, weiß man selbst nicht immer. Es darf Geheimnis bleiben - zwischen mir und Gott. Denke ich an das göttliche Kind in der Weihnachtskrippe, bestärkt mich das O: Bei Gott darf alles sein. Vor einem Kind muss sich niemand verstellen oder erklären. Es nimmt auf, was ist. Mit seinen offenen Armen sagt das Gotteskind: "O Mensch, ich mag dich!"
Maria-Anna Immerz / unveröffentlichter Text