Marie-Pasquale Reuver Gedanken zum Tag
Im Leben kommt es immer wieder zu Brüchen.
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17. Januar
Freitag, 17. Januar 2025
Im Leben kommt es immer wieder zu Brüchen. Eine Freundschaft oder Partnerschaft, die zerbricht, ein Selbstbild, das durch eine Herausforderung ins Wanken gerät, ein Verlust, der zu verkraften ist, Lebensereignisse, die unsere Seele angreifen. Der erste Impuls ist dann häufig, das Zerbrochene zu kaschieren. "Was nicht sein darf, das ist auch nicht." Ich verdränge die Situation, um den Schmerz der Realität nicht ertragen zu müssen. In uns herrscht schnell ein Drang zur Perfektion. Perfektion, die keinen Platz lässt für die Realität des Lebens. So geht es mir auch: "Wenn etwas nicht gut ist, dann muss es aber möglichst schnell wieder gut werden. Dann will ich wenigstens perfekt sein im Überwinden. Die japanische Kunst des Kintsugi zeigt mir einen ganz anderen Umgang mit Brüchen. Wenn etwas aus Porzellan kaputt gegangen ist, dann schmeißt man es nicht einfach weg, sondern kittet es. Und macht aus den Rissen etwas unglaublich Bezauberndes: Man füllt sie mit Gold. Man sieht die Risse, ja, aber sie werden zu etwas Schönem und Einzigartigem. Es wird nicht versucht so zu tun, als hätte es den Bruch nie gegeben. Sondern der Riss wird erst recht betont: Aber nicht mit dem Finger darauf gezeigt, à la "Schau mal, wie unansehnlich!", sondern hervorgehoben: "Sieh her, auch aus einem Riss kann etwas wunderbar Schönes hervorgehen!"
Entnommen aus: Marie-Pasquale Reuver "Streu Glitzer drauf. Geschichten von Gottesbegegnungen im Alltag", Patmos Verlag, Ostfildern 2023