In meinem Fenster hängt ein Fensterbild mit einer Schutzmantelmadonna, sodass das Licht hindurchstrahlen kann. Ihren Mantel hält sie weit geöffnet für all die Menschen, die sie darunter beherbergt. Sie gibt so den Blick auf die Menschen frei – man kann sich aber auch vorstellen, wie sie bei Gefahr oder Bedrohung schnell den Mantel vor ihrer Brust schließt und so die Menschen nicht mehr zu sehen sind, geschützt unter ihrem Mantel. Sie bewegt sich ein bisschen nach vorne, als würde sie noch mehr Platz hinter ihrem Rücken schaffen wollen. (…) Doch warum Menschen gerade unter Marias Schutz stellen? Theologisch kann man das nicht besonders gut begründen – biblisch gibt es da keine Überlieferung und man kann sich fragen, warum ich den anderen denn nicht direkt Gott anvertrauen soll. Da spricht nichts dagegen, ganz im Gegenteil. Die Schutzmantelmadonna hat sich in der Frömmigkeit wohl so weit ausgebreitet, weil sie Gefühle anspricht: Sie verbildlicht besonders wohltuend die mütterliche Sorge Gottes. Man sieht den zärtlichen Schutz, den Gott schenkt. Und so tut es gut, gerade in bedrohlichen Situationen, diese so unmittelbar ansprechende Ebene zu haben. Sie ist mir Bild für den mütterlichen Beistand Gottes, Bild für seine Sanftheit und seinen verteidigenden Schutz.

Entnommen aus: Marie-Pasquale Reuver "Streu Glitzer drauf. Geschichten von Gottesbegegnungen im Alltag", Patmos Verlag, Ostfildern 2023