Bayern 2 - Gedanken zum Tag


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Anselm Grün Gedanken zum Tag

Die Erinnerung zeigt uns, wer wir geworden sind und was jetzt unser wahres Wesen ist.

Stand: 27.01.2025 00:01 Uhr

Gedanken zum Tag - Bayern 2 | Bild: BR

27 Januar

Montag, 27. Januar 2025

Erinnern ist keine Flucht vor der Gegenwart. (…) Die Erinnerung zeigt uns, wer wir geworden sind und was jetzt unser wahres Wesen ist. Auch in den Schrecken einer harten Gegenwart kann sie eine Tröstung sein. Denn sie lässt uns diese Gegenwart gelassener sehen, stellt sie in einen größeren Horizont und relativiert sie dadurch.
Das deutsche Wort "erinnern" meint, dass wir das, was wir getan oder erlebt haben, nach Innen bringen, dass wir dessen inne werden, dass wir es von innen heraus wahrnehmen und verstehen. Das, was geschehen ist, soll eine innere Wirklichkeit werden, die uns niemand mehr rauben kann. Im Lateinischen heißt "erinnern" "recordare". Das meint eigentlich: ans Herz binden, zum Herzen zurückbringen. Das, was wir erlebt haben, sollen wir in unser Herz bringen, damit es im Herzen für immer aufgehoben ist, dass es wie ein Schatz in unserem Herzen ruht. Ich kann "recordare" auch so übersetzen: Ich komme immer wieder zurück zu meinem Herzen.Wenn ich mich erinnere, gehe ich aus der äußeren Welt zurück zu meinem Herzen, zur inneren Welt meiner Seele. Dort bin ich ganz ich selbst. Dort hüte ich den Schatz und das Geheimnis meines Lebens. Und diesen Schatz kann mir niemand rauben.

Entnommen aus: Anselm Grün "Die sieben Tröstungen. Was Leib und Seele neue Kraft gibt", Herder Verlag, Freiburg 2014


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