Anselm Grün Gedanken zum Tag
Eine besondere Weise des Lesens ist für Hermann Hesse das Lesen im Buch der Erinnerung. Und für Jean Paul ist die Erinnerung das Paradies, aus dem uns keiner vertreiben kann.
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31. Januar
Freitag, 31. Januar 2025
Eine besondere Weise des Lesens ist für Hermann Hesse das Lesen im Buch der Erinnerung. Und für Jean Paul ist die Erinnerung das Paradies, aus dem uns keiner vertreiben kann.
Manche erinnern sich nur an negative Erlebnisse, an Verletzungen und Kränkungen, an Unglück und ungerechte Behandlung. Sie werden durch die Erinnerung bitter. Wichtig ist aber, dass wir aktiv mit unserer Erinnerung umgehen, dass wir das Verletzende und Dunkle nicht ausklammern, aber immer schon als das Geheilte und Erhellte erinnern.
(…) Erinnern ist also nicht etwas Passives, sondern etwas Aktives. Wir wählen aus, woran wir uns erinnern. Und auch die Art und Weise, wie wir uns erinnern, liegt in unserer Hand. Wir sollen nicht in den alten Wunden bohren; damit würden sie nur noch größer werden. Vielmehr sollen wir uns erinnern an die heilende Kraft, die stärker war als die Verletzungen. Dann werden auch die Verletzungen zu einem kostbaren Schatz, den wir hüten.
Wir fliehen nicht in die Vergangenheit, sondern wir erinnern uns, um uns jetzt unserer eigenen Identität und unserer Geschichte bewusst zu werden. (…) Ich erinnere mich, um heute anders leben zu können. Ich lasse mich nicht bestimmen von der Gegenwart. Ich lebe in der Gegenwart als ein Mensch mit einer Geschichte, die ihn geformt hat.
Entnommen aus: Anselm Grün "Die sieben Tröstungen. Was Leib und Seele neue Kraft gibt", Herder Verlag, Freiburg 2014