Ich mag die Straßenkunst von David Zinn total gerne. Unschöne Stellen auf Bürgersteigen und Ähnlichem nutzt er, um daraus witzige Fantasiegestalten zu entwickeln: Da wird der gelbe Poller zu einem riesigen Hut, der Gulli zum Krokodilskörper, die wilden Gänseblümchen werden zum Lamm oder ein Steinchen in einem Loch im Teer zum Zähnchen einer singenden Maus. Aus Rissen erzählt er wunderbare Geschichten, die den Zuschauer zum Lächeln bringen und die Welt einfach schöner machen. Mir gefällt sein Blick in die Welt! Er sucht das Schönheitspotenzial in dem, was ihm hässlich entgegenkommt. Er übersieht die "Schandflecken" nicht einfach oder kämpft durch besonders strahlende Entwürfe dagegen an, sondern arbeitet mit dem, was im ersten Moment überhaupt nicht schön erscheint. Wie kann ich verwandeln, was mir gegeben ist? Er schätzt so die Realität wert und entdeckt gleichzeitig, was daraus werden kann. (…) Gehen wir doch immer einmal wieder mit diesem Blick des David Zinn durch den Alltag und werden zum Street-Artist unserer Lebensstraßen. Ein Riss auf meinem Lebensweg, ein Fleck, Unkraut, das hervorquillt? Ja, so ist es, so ist meine Lebensstraße. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich sie mit Gottes Hilfe nicht in ein wahres Kunstwerk verwandeln kann.

Entnommen aus: Marie-Pasquale Reuver "Streu Glitzer drauf. Geschichten von Gottesbegegnungen im Alltag", Patmos Verlag, Ostfildern 2023