Bayern 2 - Gedanken zum Tag


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Bärbel Wardetzki Gedanken zum Tag

Bilder sind im Narzissmus ein zentrales Thema.

Stand: 27.05.2024

Gedanken zum Tag - Bayern 2 | Bild: BR

27 Mai

Montag, 27. Mai 2024

Bilder sind im Narzissmus ein zentrales Thema, da Kinder schon früh in ihrer Entwicklung mit Bildern konfrontiert werden, wie sie idealerweise zu sein haben. In narzisstischen Familien werden die besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften eines Kindes hervorgehoben, worüber das Kind Zuwendung und Aufmerksamkeit erhält. Das kann so weit gehen, dass ein Kind wie ein Schmuckstück der Welt präsentiert wird: "Schaut her, was für ein wunderbares Kind ich habe!" Das wirkt auf der einen Seite zwar wie eine positive Zuwendung, da das Kind wichtig genommen wird. Auf der anderen Seite bedeutet es aber auch, dass das Kind unbedingt so sein muss. Ist es anders oder weigert es sich, so zu werden wie das von ihm gezeichnete Bild, dann läuft es Gefahr, die elterliche Liebe und Zuwendung zu verlieren. Kinder sind in der Regel sehr schlau und halten sich an die Vorstellungen von außen, um nicht aus der Familie zu fallen. Somit lernen sie, sich an die Erwartungen und Vorstellungen seitens der Umwelt anzupassen und so zu werden, dass alle mit ihnen zufrieden sind. Durch diesen Anpassungsprozess geht jedoch ein großer Teil der Persönlichkeit verloren, nämlich der, der nicht ins Bild passt. Das ist der Anteil, den wir "die Authentische" oder "das wahre Selbst" nennen - in dem man so ist, wie man ist. Und diese Authentische ist oftmals nicht deckungsgleich mit dem idealen Bild von sich selbst. Ein Bild von sich zu haben, das man anstrebt, ist an sich nicht das Problem. Problematisch wird es erst, wenn dieses Bild mit der Realität nur bedingt oder gar nichts zu tun hat.

Entnommen aus: Bärbel Wardetzki "Ist es noch Selbstliebe oder schon Narzissmus? Den weiblichen Narzissmus verstehen und überwinden", Kösel Verlag, München 2023


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